Arbeitsspind heimlich durchsucht – Wie weit darf ein Arbeitgeber bei Diebstahlsverdacht gehen?

Arbeitsrecht

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte jüngst zu entscheiden, ob es zulässig ist, wenn ein Arbeitgeber den Spind eines Mitarbeiters in seinem Betrieb in dessen Abwesenheit durchsucht. Der Sachverhalt war zusammengefasst folgender: Ein Mitarbeiter einer Handelsmarktkette, in welcher dieser seit ca. 10 Jahren arbeitete, war unter Diebstahlsverdacht geraten. Im Zuge dieser Verdächtigungen öffnete der zuständige Geschäftsleiter des Marktes im Beisein eines Betriebsratsmitgliedes während der Arbeitszeit den verschlossenen Spind des Mitarbeiters und durchsuchte diesen. Der Mitarbeiter selbst war hierbei jedoch nicht anwesend, sondern ging seiner Arbeit nach. Bei der Durchsuchung wurden sodann vom Mitarbeiter im Markt entwendete Sachen entdeckt. Diese Sachen wurden im Spind belassen, da die Geschäftsleitung abwarten wollte, ob der Mitarbeiter diese Sachen noch nach Dienstschluss bezahle. Zu einer weiteren Durchsuchung der Person des Mitarbeiters kam es im Weiteren nicht mehr, da der Mitarbeiter sich dieser wohl durch „Flucht“ entzog. Der Arbeitgeber erstattete sodann Strafanzeige gegen den Mitarbeiter wegen Diebstahls und eine im weiteren Verlauf beim Arbeitnehmer durchgeführte polizeiliche Wohnungsdurchsuchung verlief ohne weitere Funde. Am gleichen Abend durchsuchte die Geschäftsleitung im Beisein eines Betriebsratsmitgliedes den Spind abermals, diesmal ohne Fund der vormals entdeckten Sachen.

Sodann wurde dem Mitarbeiter der Diebstahlsverdacht schriftlich durch die Unternehmensleitung mitgeteilt und dieser zur Stellungnahme, mündlich oder schriftlich, aufgefordert. Der Mitarbeiter erklärte sich hierzu in keiner Form. Dem Mitarbeiter wurde fristlos sowie hilfsweise ordentlich gekündigt, wogegen dieser sich mit einer Kündigungsschutzklage wehrte, da er der Ansicht war, dass kein wichtiger Grund i. S. d § 626 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) vorläge und er insbesondere keine Diebstahlshandlung begangen habe. Überdies verletzte die heimliche Durchsuchung seines Spindes seine Persönlichkeitsrechte und daher seien die dortig gewonnenen Erkenntnisse prozessual nicht verwertbar.

Im Ergebnis befanden die Erfurter Bundesrichter, dass die Kündigung zu Unrecht erging. Nach ihrer Auffassung hatte das Unternehmen die Diebstahlsabsicht nicht hinreichend bewiesen.

Den Sachvortrag des Arbeitgebers im Prozess, dass verschiedene Sachen aus dem Warensortiment im Spind des Mitarbeiters gefunden wurden, ließen die Bundesrichter nicht gelten. Das Öffnen und Durchsuchen des Mitarbeiterspindes erfolgte nach ihrer Sichtweise rechtswidrig. Die bei einer  rechtswidrigen Durchsuchung gewonnenen Erkenntnisse sind sodann im Arbeitsgerichtsprozess (wie auch in anderen Gerichtsprozessen) nicht verwertbar.  

Grundsätzlich kann der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung einen wichtigen Grund im Sinne eines Kündigungsgrundes gem. § 626 I BGB darstellen. Eine auf einen solchen Verdacht gestützte Kündigung kann unter bestimmten und engen Voraussetzungen gerechtfertigt sein. Der Verdacht muss überdies auch dringend sein, d. h. es muss eine große Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der Tatsache bestehen und darf nicht nur ein „Schuss ins Blaue“ sein.

Zu beachten ist bei der arbeitsrechtlichen Betrachtung eines solchen Verdachtes einer Straftat zur Begründung einer Kündigung, dass es nicht zwingend auf die strafrechtliche Bewertung, gar die strafrechtliche Würdigung des Vorwurfes durch die Staatsanwaltschaft (Erhebung oder Nichterhebung einer Anklage) sowie die richterliche Sichtweise im Strafprozess ankommt. Für das Arbeitsverhältnis ist die Komponente des Vertrauensverlustes zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber entscheidend. Daher genügt im Zweifel ein dringender, aber bei Ausspruch der Kündigung unbewiesener, Verdacht bzgl. einer schwerwiegenden Pflichtverletzung.

Zurück zum Ausgangsfall: Die Verwertung der bei der heimlichen Spinddurchsuchung gewonnenen Erkenntnisse als Beweismittel im arbeitsgerichtlichen Prozess war nach Sichtweise der BAG-Richter ausgeschlossen. Dies folge, sofern nicht schon durch direkte Anwendung des § 32 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) daraus, dass mit der prozessualen Verwertung der Erkenntnisse ein erneuter Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers erfolgt wäre. Das Verwertungsverbot schließe ebenso aus, dass Personen, welche die Spindkontrolle durchführten bzw. dieser beiwohnten, wie z. B. der Betriebsrat, sodann im weiteren Prozess hierzu als Zeugen zu vernehmen seien.

Vorliegend hätte der Spind des Arbeitnehmers nach Sichtweise der BAG-Richter nicht heimlich, sondern in dessen Beisein, was möglich gewesen wäre, da dieser im Unternehmen der Arbeitgeberin zu diesem Zeitpunkt tätig war, durchsucht werden müssen. Wäre der Arbeitnehmer anwesend gewesen, hätte die Möglichkeit für den Arbeitnehmer bestanden, die gesuchten Sachen freiwillig herauszugeben und damit eine Durchsuchung seiner persönlichen Sachen gänzlich abzuwenden. Auch wäre die Durchsuchung im Beisein des Arbeitnehmers nicht in ihrer Effektivität gemindert oder ihres Sinn und Zweckes gänzlich enthoben worden.

Fazit:   Aus dieser Entscheidung lässt sich für den Arbeitgeber, welcher einen vergleichbaren Verdacht gegen Mitarbeiter hegt, ableiten, dass im Zweifel eine Durchsuchung von Schränken, Taschen etc. immer im Beisein des Verdächtigten erfolgen sollte. Darüber hinaus ist es ratsam, sich weiterer Zeugen, wie etwa dem Betriebsrat oder der Personalvertretung zu bedienen.

Dem Arbeitnehmer in einer solchen Situation ist anzuraten, sich bei heimlich durchgeführter Durchsuchung persönlicher Bereiche auf den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht zu berufen und auf das Verwertungsverbot hierbei gewonnener Erkenntnisse im Prozess abzustellen.

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