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Die Befangenheit eines Richters
Was bedeutet „Befangenheit“ eines Richters?
Die Befangenheit eines Richters (gilt auch z. B. für Sachverständige) liegt vor, wenn die Unparteilichkeit, Objektivität oder Neutralität nicht mehr gewahrt werden oder der begründete Verdacht einer fehlenden Neutralität besteht. Sie soll die Unabhängigkeit und Fairness eines gerichtlichen Verfahrens sicherstellen.
Ein Richter kann wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit rechtfertigt. Eine tatsächliche Voreingenommenheit ist nicht erforderlich; es genügt der „begründete Verdacht“. Entscheidendes Kriterium ist dabei der Standpunkt eines objektiven Beteiligten des Verfahrens.
Wann liegt eine Besorgnis der Befangenheit vor?
Die Beteiligung des Richters an vorherigen Instanzen desselben Streitgegenstandes oder enge persönliche Beziehungen zu den Parteien begründen regelmäßig seine Befangenheit.
Wenn die Besorgnis einer Befangenheit vorliegt, ist ein Antrag auf Ablehnung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle zu stellen. Der Antrag muss den Grund angeben, aus dem die Ablehnung erfolgen soll, und ist unverzüglich nach Bekanntwerden des Befangenheitsgrundes zu stellen.
Wie läuft das Befangenheitsverfahren ab?
Über den Befangenheitsantrag entscheidet das Gericht, wobei stets ein neutraler Spruchkörper gebildet wird, meist unter Ausschluss des abgelehnten Richters. Der Maßstab ist objektiv zu bestimmen: Es genügt der Eindruck, dass bei vernünftiger Betrachtung Anlass besteht, die Objektivität des Abgelehnten in Zweifel zu ziehen.
Stellt das Gericht eine Befangenheit fest, wird die betreffende Person vom Verfahren ausgeschlossen, und ein neutraler Ersatz wird bestimmt. Gerichtliche Entscheidungen, an denen ein tatsächlich befangener Richter mitgewirkt hat, können als nichtig oder zumindest anfechtbar gelten.
Typische Gründe für die Ablehnung eines Richters
Befangenheitsgründe können sein: Freundschaft, Verwandtschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Vertretern, also persönliche Beziehungen, öffentliche Äußerungen des Richters zum Gegenstand des Verfahrens, finanzielle oder sachliche Interessen des Richters am Ausgang des Verfahrens.
Im Gegensatz dazu rechtfertigt nicht jede Kritik, Unzufriedenheit oder Gerichtshandlung einen Befangenheitsantrag. Erst wenn das Verhalten ernsthafte Zweifel an der Neutralität erregt, liegt ein Befangenheitsgrund vor.
Objektive Tatsachen statt subjektiver Eindrücke
Es sind objektive Tatsachen notwendig, die aus Sicht eines verständigen Beteiligten Anlass zu Zweifeln an der Unparteilichkeit und Neutralität des Richters geben – nicht bereits ein bloßes subjektives Misstrauen einer Verfahrenspartei.
Zu den typischen Verhaltensweisen, die zur Annahme eines Befangenheitsgrundes führen können, zählen z. B.: eindeutige Parteinahme während der Verhandlung, beleidigende oder abwertende Äußerungen gegenüber Parteien oder deren Vertretern, die ungleiche Behandlung der Beteiligten, unerklärlich häufige Verfahrensverzögerungen zu Lasten einer Partei, exzessives Ausfragen nur einer Partei sowie verwandtschaftliche oder wirtschaftliche Beziehungen zu einer Partei Nicht jedes als unangemessen empfundene Verhalten genügt – maßgeblich ist die objektive Betrachtungsweise.
Wer entscheidet über den Befangenheitsantrag?
Über einen Antrag auf Richterablehnung wegen Befangenheit entscheidet grundsätzlich das Gericht, dem der abgelehnte Richter angehört, stets ohne dessen Mitwirkung. Wird der Antrag im Zivilprozess abgelehnt, ist grundsätzlich kein Rechtsmittel gegen die Ablehnung gegeben. Die Überprüfung der Richtigkeit dieser Entscheidung ist nur im Rahmen der Berufung in der Hauptsache möglich.
Soweit ein Richter zu Recht wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurde, tritt an dessen Stelle ein anderer gesetzlicher Richter.
Der „böse Schein“ – warum schon der Eindruck zählt
Es genügt bereits der sogenannte „böse Schein“ von Befangenheit, ohne dass dem Richter tatsächlich Voreingenommenheit oder Parteilichkeit nachgewiesen werden muss.
Es kommt allein darauf an, ob aus Sicht einer vernünftigen Partei Zweifel an der Unparteilichkeit bestehen könnten. Damit soll das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Justiz geschützt werden. Subjektives Empfinden der Partei spielt keine Rolle.
Missbrauch des Ablehnungsrechts – Entscheidung des Kammergerichts Berlin (Az.: 2 W 26/25)
Das Kammergericht Berlin hat in seinem Beschluss vom 11.09.2025 darauf hingewiesen, dass ein Befangenheitsantrag rechtsmissbräuchlich sei, wenn er dazu dient, Richter, die eine missliebige Rechtsauffassung vertreten, aus dem Verfahren zu drängen. Hintergrund der Entscheidung war, dass eine Partei bzw. deren Prozessbevollmächtigte ankündigten, einen Befangenheitsantrag gegen den Richter zu stellen, wenn dieser die Beweisaufnahme fortsetze. Der Richter wies die Partei bzw. ihre Prozessbevollmächtigten darauf hin, dass dieses Ansinnen (Ankündigung eines Befangenheitsantrages, wenn die Beweisaufnahme fortgesetzt werde) ein Missbrauch der ihr zustehenden Verfahrensrechte sei.
Dieser Hinweis sollte nun die Befangenheit des Richters begründen. Das Kammergericht entschied, dass es dem Gericht bei der gegebenen Sachlage möglich sei, auf einen Missbrauch von Verfahrensrechten hinzuweisen, ohne damit seine Pflicht zur Neutralität zu verletzen.
Mit der Funktion und dem Zweck des Ablehnungsrechts ist es nicht zu vereinbaren, Druck auf die nach den gesetzlichen Bestimmungen und dem gerichtlichen Geschäftsverteilungsplan zuständigen Richter auszuüben, damit sie den Rechtsstreit anders entscheiden. Der Prozessgegner, der ebenfalls Anspruch auf den gesetzlichen Richter hat, wäre der Willkür des Antragstellers ausgesetzt. Das Ablehnungsgesuch ist auch kein Rechtsmittel – es dient nicht der Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung.
Praxisfazit: Mein Umgang mit Befangenheitsanträgen
Aus meiner Sicht zu Recht, denn nur dann, wenn sich der Richter seinerseits zu einer unangemessenen Reaktion „hinreißen“ lässt, die bei objektiver Betrachtung Zweifel an seiner künftigen Unvoreingenommenheit aufwerfen kann, liegt eine Besorgnis der Befangenheit vor.
Ich habe in meiner zivilrechtlichen Praxis nur einen Befangenheitsantrag gestellt – und das war rein taktisch motiviert. Wichtig ist, die Begründetheit im Auge zu behalten, da das Gericht die Parteien, Zeugen und die Komplexität des Sachverhalts nicht kennt. Deshalb gebe ich vor jeder mündlichen Verhandlung zu bedenken, dass weder viele Nachfragen zur Befangenheit des Gerichts führen noch eine andere Auffassung des Richters. Und wenn ich den Eindruck habe, dass es tatsächlich etwas zu „emotional“ wird, beantrage ich die Unterbrechung der mündlichen Verhandlung, um allen Beteiligten (mich eingeschlossen) die Gelegenheit zu geben, die Verhandlungsführung zu überdenken.