Elternunterhalt: Finanzieller Spielraum gewonnen

Mit dem zum 01.01.2020 in Kraft getretenen Angehörigen-Entlastungsgesetz (BGBl. I 2019, 2135) hat der Gesetzgeber für Kinder speziell pflegebedürftig gewordener Eltern einen längst fälligen Wandel eingeleitet, um deren finanziellen Spielraum innerhalb der Familie zu erweitern.

In einer alternden Gesellschaft stellt sich in der Praxis zunehmend heraus, dass insbesondere bei Eltern, die in Pflege- und Betreuungseinrichtungen untergebracht werden, in aller Regel deren Einnahmen, egal ob Rente oder Pensionen, nicht ausreichen, um die Kosten für das Heim und ein angemessenes Taschengeld zu finanzieren. Auch die Pflegeversicherung reicht nicht aus, um den entstehenden Fehlbetrag aufzufangen. Dann blieb nur noch der Rückgriff aus das Vermögen, welches schnell aufgezehrt oder von vornherein gar nicht vorhanden war. Den sogenannten ungedeckten Bedarf übernimmt dann der Sozialleistungsträger.

Sonderproblem Schenkungen

Der Sozialleistungsträger übernimmt dann die Funktion eines „Schuldeneintreibers“ und bemüht sich redlich, die vorausgeleisteten Beträge, wenn möglich bei den Angehörigen zurückzuholen. Hat der zu pflegende Elternteil vor dem Einzug in das Heim Vermögen verschenkt, beispielsweise, weil er sein kleines Einfamilienhaus einem der Kinder überlassen hat, prüft der Sozialleistungsträger eine Anfechtung dieser Schenkung (BGH, Beschl. v. 20.02.2019, Az.: XII ZB 364/18). Ist diese Anfechtung erfolgreich, muss zunächst dieses Vermögen verbraucht werden, um den eigenen Bedarf zu decken.

Ist dieses nicht vorhanden oder zeitnah aufgebraucht, haften grundsätzlich die nächsten Angehörigen für die Fehlbeträge, denn Verwandte in gerader Linie sind einander zum Unterhalt verpflichtet. Die Haftung erfolgte dann nach den jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Kinder.

Man kann sich vorstellen, welcher Aufwand in der Recherche und auch welche Belastungen auf die jeweiligen Sozialleistungsträger zukamen.

Was zählt zum Jahresbruttoeinkommen?

Hier schafft nun das Angehörigen-Entlastungsgesetz eine Abhilfe, indem grundsätzlich eine Unterhaltsverpflichtung für die Eltern erst dann eingreift, wenn das Kind ein jährliches Bruttoeinkommen oberhalb von 100.000 Euro erzielt. Dieser Grenzbetrag umfasst das gesamte Jahreseinkommen. Dazu zählen beispielsweise auch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitalerträge. Wenn der vorgenannte Grenzwert überschritten wird, muss sodann noch geprüft werden, ob eventuell Abzüge dazu führen, wieder unterhalb dieser Grenze zu gelangen. Das sind beispielsweise Aufwendungen für eine Altersvorsorge aber auch anderer Vorsorgebedarf.

Dagegen wird vorhandenes Vermögen, soweit es nicht aus einer elterlichen Schenkung herrührt (siehe oben) nicht berücksichtigt.

Damit werden sich künftig die Fälle, in denen der Sozialleistungsträger bei Kindern Rückgriff nimmt, deutlich minimieren und die Empfänger mittlerer Einkommen müssen keine Zahlungen mehr befürchten.

Gibt es einen rückwirkenden Anspruch?

Das Angehörigen-Entlastungsgesetz gilt für Unterhaltsansprüche seit dem 01.01.2020. Eine rückwirkende Anwendung der Regelungen ist nicht vorgesehen. Wer bereits vom Sozialleistungsträger erfolgreich in der Vergangenheit verklagt wurde und ein Einkommen unterhalb dieser Grenzen erzielt, sollte sich hier zeitnah um die Herausgabe des Titels kümmern und seine Leistungen einstellen. Weigert sich der Sozialleistungsträger, muss über ein Abänderungsverfahren der Titel gerichtlich beseitigt werden.

Familienrechtlicher Unterhaltsanspruch

Ein Wermutstropfen bleibt: Das Angehörigen-Entlastungsgesetz betrifft nur den sozialrechtlichen Anspruchsübergang. Einem pflegebedürftigen Elternteil selbst ist es nach wie vor unbenommen, sein Kind auf Unterhalt in Anspruch zu nehmen, auch wenn es weniger als 100.000 Euro im Jahr verdient. Dies liegt daran, dass sich die Selbstbehaltsätze in den jeweiligen Leitlinien 2021 noch nicht an dieser Schallgrenze orientieren. Aktuell entkoppeln die Oberlandesgerichte diese Beträge vom Angehörigen-Entlastungsgesetz noch.

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