Aktuelles
Finger weg vom Lenker! – Neues zur Alkoholfahrt mit E-Scooter
Die aktuelle Rechtslage und Rechtsprechung
Laut aktueller Gesetzesfassung gehen die meisten Gerichte davon aus, dass für E-Scooter-Fahrer die gleiche Rechtslage gilt, wie für Autofahrer. Wer einen E-Scooter führt und dabei 1,1 ‰ oder mehr Alkohol im Blut hat, gilt als fahruntüchtig. Diese Vermutung ist unwiderlegbar. Folglich begeht der E-Roller-Fahrer eine sog. Trunkenheitsfahrt gemäß § 316 StGB.
Fährt man Fahrrad oder Pedelec mit gleichem Blutalkoholwert wird die Fahruntüchtigkeit, welche für die Strafbarkeit erforderlich ist, nur bei alkoholbedingten Ausfallerscheinungen angenommen. Erst ab einen Blutalkoholwert von 1,6 ‰ oder mehr gilt man unwiderlegbar als fahruntüchtig. Das leuchtet nicht wirklich ein, da das Gefährdungspotential durch E-Scooter eher vergleichbar ist mit jenem von Fahrrädern oder Pedelecs. Dennoch bewertet der weit überwiegende Teil der Rechtsprechung E-Scooter wie Autos.
Weiterhin normiert die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung, dass E-Scooter Kraftfahrzeuge sind. Das hat weitreichende Konsequenzen, die dem Gesetzgeber wohl nicht bewusst gewesen waren.
Laut § 69 StGB gilt der Fahrer eines Kraftfahrzeugs, welcher eine Trunkenheitsfahrt gemäß § 316 StGB begeht, in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Die Fahrerlaubnis wird für mindestens (!) sechs Monate entzogen und muss neu beantragt werden. Die Gerichte sehen fast allesamt keine Ausnahme von der Regelvermutung, sofern lediglich ein E-Roller geführt wurde.
Nur nebenbei bemerkt: Fahrrad- oder Pedelec-Fahrern droht keine Entziehung der Fahrerlaubnis im Strafverfahren.
Das Landgericht Oldenburg zu Soziusfahrten
Im Beschluss vom 07.11.2022 hatte das LG Oldenburg über einen Fall zu entscheiden (LG Oldenburg, Beschl. v. 07.11.2022, Az.: 4 Qs 368/22), in dem der Sozius seine Hände am Lenker hatte und diesen festhielt. Die Polizisten hielten den E-Scooter an. Fahrer und Sozius wurden einer Blutalkoholuntersuchung unterzogen. Der Sozius hatte 1,2 ‰ Promille Alkohol im Blut. Er gab gegenüber den Ermittlungsbehörden ausdrücklich an, dass er keine Lenkbewegungen ausgeführt habe.
Es stellt sich also die Frage, ob der Sozius den E-Scooter im Sinne des § 316 StGB (auch) geführt hat. Natürlich gibt es für den Begriff des Führens eine sperrige juristische Definition:
Führer eines Fahrzeugs ist derjenige, der sich selbst aller oder wenigstens eines Teiles der wesentlichen technischen Einrichtungen des Fahrzeuges bedient, die für seine Fortbewegung bestimmt sind, also das Fahrzeug unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzt oder das Fahrzeug unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenkt. Danach ist Führer eines Fahrzeuges nicht nur derjenige, der alle für die Fortbewegung des Fahrzeugs erforderlichen technischen Funktionen ausübt, sondern auch, wer nur einzelne dieser Tätigkeiten vornimmt, jedenfalls solange es sich dabei um solche handelt, ohne die eine zielgerichtete Fortbewegung des Fahrzeugs im Verkehr unmöglich wäre (wie z. B. das Bremsen oder Lenken).
Fazit
Das LG Oldenburg kommt zu dem Schluss, dass der Sozius gemäß der Definition den E-Scooter mitgeführt hat. Das Festhalten des Lenkers unterstütze die Geradeausfahrt. Der Sozius, den das LG natürlich gemäß seiner Rechtsauffassung als Fahrer bezeichnet, ist als Mittäter der Trunkenheitsfahrt des Hauptfahrers anzusehen. Deshalb bestätigte das LG Oldenburg die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis des Sozius. Es sah auch keinen Ausnahmefall von der Regelwirkung des § 69 Abs. 2 StGB. Ganz im Gegenteil: Das Gericht führt in seinem Beschluss aus, dass das Fahren zu zweit die Gefährlichkeit eines E-Scooters gar erhöhe. Es sei schwieriger, das Gefährt zu steuern und die Balance zu halten, wenn man es zu zweit benutze.
Es ist schwer nachvollziehbar, warum das Landgericht Oldenburg den Sozius als Fahrzeugführer ansieht. Überhaupt nicht nachvollziehbar ist, dass man in jenem Fall keine Ausnahme von der Regelwirkung erkennt und zumindest von der Entziehung der Fahrerlaubnis absieht.