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Kein automatischer Anspruch auf gerichtliche Umgangsregelung
Der Wille des Kindes hat Gewicht
In einem der entschiedenen Fälle hatte ein Vater den Umgang mit seinem 15-jährigen Sohn gerichtlich regeln lassen wollen. Das Oberlandesgericht verzichtete auf eine feste Umgangsregelung, da der Sohn deutlich gemacht hatte, er wolle selbst entscheiden, ob und wann er seinen Vater sehe. Das Bundesverfassungsgericht beanstandete dies nicht. Der Wunsch des Kindes nach Autonomie sei Ausdruck seiner Persönlichkeit und Entwicklung. Eine Umgangsregelung gegen seinen Willen könne mehr schaden als nützen. Solange keine Kindeswohlgefährdung droht, stellt eine solche Entscheidung keinen verfassungswidrigen Eingriff in das Elterngrundrecht dar.
Hohe Anforderungen bei langer Umgangsunterbrechung
Anders gelagert war der zweite Fall. Eine Mutter hatte seit über vier Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrem Kind, das beim Vater lebt. Mehrfach hatte sie versucht, gerichtliche Umgangsregelungen zu erreichen – bislang erfolglos. Auch hier lehnte das OLG eine Umgangsregelung ab und begründete dies unter anderem mit der fehlenden Bereitschaft der Mutter zu professionell begleiteten Umgängen. Diese seien notwendig, weil wegen der langen Dauer der fehlenden Kontakte zwischen Mutter und Kind ohne Begleitung von einer Gefährdung des Kindeswohles auszugehen sei. Die konkreten Schäden, die in diesem Fall zu befürchten wären, nannte das Gericht nicht, sondern zog sich auf die formelhafte Begründung zurück. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Verfassungsbeschwerde zwar für unzulässig, äußerte jedoch Zweifel, ob die Entscheidung des OLG tragfähig ist. Insbesondere bei einer derart langen Umgangsunterbrechung sind die Anforderungen hoch. Das Gericht muss konkrete Feststellungen zu Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit einer möglichen Kindeswohlgefährdung treffen. Reine Vermutungen oder veraltete Einschätzungen eines Sachverständigen reichen dafür nicht aus. Das bloße Absehen von einer Umgangsregelung darf nicht zu einem dauerhaften faktischen Umgangsausschluss führen, ohne dass die dafür geltenden hohen rechtlichen Hürden eingehalten werden.
Sorgfältige Abwägung bleibt Pflicht
Beide Entscheidungen zeigen, der Wille des Kindes ist bei der Regelung des Umgangs ernst zu nehmen – insbesondere bei älteren, entscheidungsfähigen Kindern. Gleichzeitig dürfen Gerichte aber nicht leichtfertig auf eine Regelung verzichten, wenn dadurch das Umgangsrecht eines Elternteils auf Dauer faktisch leerläuft. Maßstab bleibt immer das Kindeswohl – aber auch das Elterngrundrecht verlangt eine sorgfältige, abwägende Entscheidung.