(K)ein Freifahrtschein fürs Grabschen

Strafrecht

Im Juli dieses Jahres ging ein für viele empörendes Urteil aus Italien um die Welt, in welchem der damals 66-jährige Hausmeister der Roberto Rossellini Schule freigesprochen wurde, obwohl er einer Schülerin 5 bis 10 Sekunden an das Gesäß gefasst hat und wegen sexueller Nötigung angeklagt wurde.

Die damals 17-Jährige lief zum Klassenzimmer, als sie spürte, dass ihr jemand von hinten in den Bund der Hose sowie unter die Unterhose griff und das Gesäß umfasste. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren gefordert. Der Hausmeister erklärte, dass es ein Scherz gewesen sei und bestritt, die nackte Haut berührt zu haben.

Es gab einen großen medialen Aufschrei, weil das Gericht angeblich erst Handlungen, die 10 Sekunden übersteigen, als sexuelle Belästigung wertet. Dies löste einen Internet-Trend aus, in welchem Frauen und Männer sich selbst an intimen Stellen berührten und nebenbei eine Stoppuhr laufen ließen, um zu zeigen, wie lang diese Zeitspanne während einer unangenehmen Situation sein kann. Das italienische Recht kennt keine Mindestdauer, um diesen Tatbestand zu verwirklichen. Das Gericht stützte den Freispruch jedoch darauf, dass trotz der Verletzung der Intimsphäre des Mädchens lediglich ein „unbeholfenes Verhalten ohne sexuelles Motiv“ festgestellt wurde. Es ging also nicht allein um die Dauer, sondern vor allem um die innere Willensrichtung des Angeklagten.

Auch in der deutschen Gerichtsbarkeit unterscheidet man zwischen der objektiven und subjektiven Tatbestandsverwirklichung. Der objektive Teil umfasst den Geschehensablauf, wohingegen der subjektive Tatbestand sich um die Vorstellung des vermeintlichen Täters dreht und geprüft wird, ob er den ihm vorgeworfenen Tatbestand absichtlich oder wissentlich verwirklicht hat oder es ihm schlichtweg egal war bei der Tatausführung. Nur dann handelte er vorsätzlich und kann bestraft werden. Es gibt nur wenige Delikte, in denen auch Fahrlässigkeit geahndet wird. Eine sexuelle Belästigung gehört auch in Deutschland nicht dazu. Wenn der Beschuldigte also fälschlicherweise davon ausgeht, dass die andere Person der Berührung zustimmt oder es als Kompliment auffasst, ist der Tatbestand nicht erfüllt.

Fazit:  Die Geschädigte wird zwar in einigen Fällen kein Kompliment oder Missverständnis in der Handlung erkennen können, jedoch kommt es in Deutschland nicht auf die Sichtweise des vermeintlichen Opfers an, sondern auf die des Beschuldigten und natürlich auf die Wertung des Richters, ob der Beschuldigte sich tatsächlich geirrt hat oder die Einlassung eine bloße Schutzbehauptung darstellt.

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