Personalgespräch während der Arbeitsunfähigkeit?

Arbeitsrecht

Immer wieder wird von Mandanten nachgefragt, ob sie einer Einladung zum Personalgespräch während der Dauer einer Arbeitsunfähigkeit Folge zu leisten haben.

Hierzu hat sich das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 02.11.2016, Az.: 10 AZR 596/15, mit deutlichen Worten positioniert. Die konkret zur Entscheidung stehende Problematik war, ob ein Arbeitnehmer während bestehender Arbeitsunfähigkeit der Aufforderung zur Teilnahme an einem Personalgespräch mit seinem Arbeitgeber Folge zu leisten hat oder aber ob er eine solche Einladung aufgrund der bestehenden Arbeitsunfähigkeit zurückweisen und dem Personalgespräch fernbleiben kann.

Diese Fragestellung erscheint auf den ersten Blick trivial, nicht jedoch, wenn man kurz hinterfragt, wofür eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung denn grundsätzlich gedacht ist. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung soll die Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers aufheben und ihm dabei für den Entgeltfortzahlungszeitraum die Vergütung sichern, sodass eine rasche Genesung gesichert ist. Ob der Genesungsprozess durch ein Personalgespräch tatsächlich unterbrochen wird, kann hierbei wohl unterschiedlich gesehen werden. Der Hinweis darauf, dass eine bloße Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht die Pflicht aufhebt, bei Gericht zu einem eigenen Termin als Kläger, Beklagter oder Zeuge zu erscheinen, sondern hier eine gesonderte Verhandlungsunfähigkeitsbescheinigung (möglichst mit treffender Begründung) erforderlich ist, legt einen solchen Gedanken nahe.

Im konkret durch das Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall war ein Arbeitnehmer (Krankenpfleger) während einer mehrwöchigen Arbeitsunfähigkeit durch den Arbeitgeber zum Personalgespräch einbestellt worden, um künftige Einsatzmöglichkeiten nach der Genesung zu besprechen. Der eingeladene Arbeitnehmer lehnte die Einladung und das Treffen unter Verweis auf die vorliegende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab. Der Arbeitgeber forderte hieraufhin eine gesonderte Bescheinigung des behandelnden Arztes, aus welcher hervorgeht, dass der Arbeitnehmer nicht in der Lage sei, am Personalgespräch teilzunehmen. Der Arbeitnehmer lehnte auch dies ab und nahm an keinem der arbeitgeberseitig angesetzten Personalgespräche teil. Der Arbeitgeber mahnte dieses Verhalten ab, wogegen sich der Arbeitnehmer gerichtlich zur Wehr setzte.

Zunächst ist zu beachten, dass es dem Arbeitgeber grundsätzlich freisteht, mit seinem Arbeitnehmer Personalgespräche zu führen. Dies folgt schon aus dem dem Arbeitgeber obliegenden Weisungs- und Direktionsrecht (§ 106 GewO). Die Weigerung des Arbeitnehmers, an einem solchen vom Arbeitgeber angesetzten Personalgespräch teilzunehmen, kann daher arbeitsrechtliche Konsequenzen (Abmahnung, Kündigung) zur Folge haben.

Eine Besonderheit besteht, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich über Änderungen des Arbeitsvertrages, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch zum Beispiel Aufhebungsvertrag oder eine Kündigung in Verbindung mit Abwicklungsvereinbarungen etc. mit dem Arbeitnehmer konferieren will. Hier besteht zumindest theoretisch die Möglichkeit, ein solches Gespräch abzulehnen. In der Praxis ist es jedoch problematisch und im Zweifel auch für den Arbeitnehmer schwer beweisbar, dass es sich bei dem geführten Personalgespräch z. B. tatsächlich um inhaltliche Änderungen des Arbeitsvertrages und nicht nur um Änderungen der Arbeitssituation handelte. Insofern sollte mit dem „Verweigerungsrecht“ arbeitnehmerseits höchst vorsichtig und bedacht umgegangen werden.

Im hier entschiedenen Fall war jedoch der eingeladene Arbeitnehmer nachweislich durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von der Arbeitspflicht suspendiert und deshalb nicht verpflichtet, an dem Personalgespräch, ungeachtet dessen konkreten Inhaltes, teilzunehmen. Darüber hinaus teilte das Bundesarbeitsgericht ebenfalls mit, dass hierfür schon eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausreiche und der Arbeitgeber keinen Anspruch auf ein weitergehendes Attestieren einer Verhandlungsunfähigkeit bzw. Unfähigkeit zur Teilnahme an einem Personalgespräch habe. Die bloße Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genüge dafür, dass jedwede arbeitsvertraglichen Haupt- und Nebenpflichten, wie eben auch die Teilnahme an einem Personalgespräch, zugunsten des Arbeitnehmers aufgehoben sind.

Zu beachten ist jedoch hierbei die Besonderheit des sogenannten bEM, des betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 II SGB IX. Der Arbeitgeber ist hierdurch verpflichtet, bei mehr als 6-wöchiger ununterbrochener Erkrankung oder sich wiederholender Arbeitsunfähigkeit im vergangenen Zeitjahr im Umfang von 6 Wochen mit dem Arbeitnehmer ein Gespräch über die betriebliche Eingliederung zu führen und eventuelle Hilfen oder Veränderungen im Arbeitsverhältnis für die Zukunft zu ermitteln. Hierzu wird der Arbeitgeber regelmäßig förmlich einladen und es dem Arbeitnehmer freistellen, ob dieser an einem solchen Gespräch teilnimmt. Die Nichtteilnahme durch den Arbeitnehmer an einem solchen Wiedereingliederungsgespräch kann sich für ihn jedoch in einem eventuell später zu führenden Kündigungsschutzprozess wegen personenbedingter (hier konkret krankheitsbedingter) Kündigung nachteilig auswirken. Auch hier sollte sich der Arbeitnehmer eine Ablehnung in Ruhe überlegen und im Zweifelsfall juristischen Rat vom Fachanwalt für Arbeitsrecht einholen.

Zurück