Unberechtigte Zweifel des Gerichts an der Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts verstoßen gegen das Recht auf effektiven Rechtsschutz

In ihrem Beschluss vom 18. Februar 2022 (Az.: 1 BvR 305/21) hat die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG (Bundesverfassungsgericht) festgestellt, dass unberechtigte Zweifel des Gerichts an der Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts gegen das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) verstoßen.

Im verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren hat ein Gericht den Mangel der Vollmacht nach § 67 Abs. 6 Satz 4 VwGO von Amts wegen nur dann zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Tritt hingegen als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auf, so kommt eine Prüfung der Vollmacht von Amts wegen nur in Betracht, wenn die Art und Weise der Prozessführung oder sonstige besondere Umstände dem Gericht dazu berechtigten Anlass geben.

Nach § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO müssen sich die Beteiligten vor dem OVG (und dem BVerwG) grundsätzlich durch einen Rechtanwalt vertreten lassen. Der Mangel einer danach erforderlichen Vollmacht kann durch andere Beteiligte in jeder Lage geltend gemacht werden. Das Gericht hingegen hat diesen Mangel grundsätzlich nur dann von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht ein Rechtsanwalt als Bevollmächtigter auftritt (§ 67 Abs. 6 Satz 3 und 4 VwGO). Wenn aber ein Rechtsanwalt als Bevollmächtigter auftritt, kommt nach der Rechtsprechung des BVerwG eine Prüfung von Amts wegen nur dann in Betracht, wenn die Art und Weise der Prozessführung bzw. sonstige besondere Umstände dem Gericht dazu berechtigten Anlass geben. Dies wurde etwa bejaht, wenn der auftretende Rechtsanwalt trotz gerichtlicher Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nur versäumt, die Vollmacht nachzureichen, sondern zudem den angeblich vertretenen Kläger nicht ordnungsgemäß bezeichnet. Allein durch die Nichtvorlage nach Aufforderung wird hingegen das dem Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege ausweislich des § 67 Abs. 6 Satz 4 VwGO beigemessene besondere Vertrauen nicht erschüttert. Angesichts der ausdrücklichen gesetzlichen Möglichkeit zur Nachreichung der Vollmacht stellt ein solches Verhalten keine besonders ungewöhnliche Prozesssituation dar. Auf die ausbleibende Nachreichung kann allenfalls nach mehrmaliger vergeblicher Erinnerung und Fristsetzung maßgeblich abgestellt werden.

Aber auch wenn berechtigte Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen, ist dem (angeblich) Bevollmächtigten zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes eine angemessene Zeitspanne einzuräumen, innerhalb derer er die Vollmacht nachzureichen hat. Ob eine Wochenfrist für die Nachreichung der Vollmacht nach § 67 Abs. 6 2. Hs. 2 VwGO grundsätzlich ausreicht, hat das BVerfG offengelassen. Die Wochenfrist zur Nachreichung der Vollmacht genügt jedenfalls nicht, wenn keinerlei Umstände ersichtlich sind, die im konkreten Fall eine derart kurze Frist für die gesetzlich ausdrücklich vorgesehene Nachreichung erfordert haben könnten.

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