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Verwaltungsgericht Berlin erkennt Schutzanspruch russischer Wehrpflichtiger an
Eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20.01.2025 (Az.: VG 33 K 504/24 A und VG 33 K 519/24 A) könnte jedoch eine Kehrtwende in der Bewertung solcher Fälle einleiten.
Neue Rechtslage für russische Asylsuchende
Das Gericht hatte über mehrere Klagen russischer Männer zu entscheiden, die bislang keinen Wehrdienst geleistet hatten und geltend machten, bei einer Rückkehr nach Russland eingezogen und in bewaffnete Auseinandersetzungen geschickt zu werden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte die Anträge auf internationalen Schutz zunächst abgelehnt – das Verwaltungsgericht hingegen sprach den Klägern subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zu.
Begründung: Gefahr der zwangsweisen Einbindung in Kampfhandlungen
Zur Begründung verwies das Gericht auf aktuelle Erkenntnismittel, die nahelegen, dass der russische Staat junge Männer nicht nur zum Grundwehrdienst einzieht, sondern sie in zunehmendem Maße unter Druck setzt, längerfristige Verträge mit den Streitkräften zu unterzeichnen. Diese sogenannten „Vertragssoldaten“ werden demnach systematisch an die Front beordert. Selbst für Grundwehrdienstleistende, die zunächst nicht direkt in Kampfhandlungen eingebunden sind, bestehe die reale Gefahr, in grenznahen Regionen – insbesondere im Raum Kursk – unter menschenunwürdigen Bedingungen stationiert zu werden. Auch eine zwangsweise Einbindung in völkerrechts- oder menschenrechtswidrige Handlungen sei nicht ausgeschlossen.
Abweichung von bisheriger Rechtsprechung
Das Gericht stellte in seinen Urteilen fest, dass bereits die drohende zwangsweise Teilnahme an einem bewaffneten Konflikt, bei dem systematische Verstöße gegen humanitäres Völkerrecht nicht ausgeschlossen werden können, einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG darstellen könne. Auch eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung sei nicht fernliegend.
Bemerkenswert ist, dass das Verwaltungsgericht Berlin mit dieser Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des 12. Senats des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg abweicht. Dieses hatte noch im August 2024 in vergleichbaren Fällen eine Schutzgewährung abgelehnt und dabei insbesondere auf das Fehlen individueller Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung abgestellt. Es ist daher davon auszugehen, dass die neuen Urteile im Rahmen eines Berufungsverfahrens erneut gerichtlich überprüft werden.
Bedeutung für zukünftige Asylverfahren
Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin zeigen, dass sich die tatsächliche und rechtliche Bewertung von Asylgründen im Lichte aktueller Entwicklungen verändern kann. Eine sorgfältige Prüfung der individuellen Gefährdungslage bleibt entscheidend für die Erfolgsaussichten im Verfahren.