Verkehrsunternehmen erheben weiterhin zu Unrecht von Kindern ein erhöhtes Beförderungsentgelt

Immer wieder werden wir in unserer anwaltlichen Beratung mit Fällen konfrontiert, in denen durch Verkehrsunternehmen von noch minderjährigen Kunden sogenannte „erhöhte Beförderungsentgelte“ verlangt werden. So auch im folgenden Fall:

Damit die minderjährige Tochter die Verkehrsmittel der DVB benutzen kann, erwarben die Eltern unserer Mandantin eine personengebundene Jahreskarte. Anlässlich einer durchgeführten Fahrscheinkontrolle auf der Heimfahrt von der Schule bemerkte das Kind, dass es sein Portmonee zusammen mit der Fahrkarte im Schulgebäude verloren hatte. Im Anschluss an diese „Schwarzfahrt" wurden die Eltern durch die Verkehrsbetriebe schriftlich aufgefordert, eine Strafe in Höhe von zunächst 7,00 Euro, später 60,00 Euro zu zahlen.

Nachdem unsere Kanzlei die anwaltliche Vertretung des Kindes übernommen hatte, wurde das Verkehrsunternehmen auf die geltende Rechtslage hingewiesen. Anders als bei volljährigen Kunden kann von Minderjährigen eine Vertragsstrafe in Form des erhöhten Beförderungsentgeltes nämlich nicht verlangt werden. Letzteres ist vertraglich in den Beförderungsbedingungen geregelt. Minderjährige werden durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) im Rechtsverkehr jedoch besonders geschützt. Nach § 107 BGB bedarf der Minderjährige „zu einer Willenserklärung durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters“. Ohne Einwilligung kann er also nur Willenserklärungen, die für ihn lediglich rechtlich vorteilhaft sind, wirksam abgeben. Da der Beförderungsvertrag die Pflicht zur Zahlung des erhöhten Beförderungsentgeltes für den Fall einer Schwarzfahrt vorsieht, handelt es sich nicht mehr um ein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft, sodass die Wirksamkeit des Vertrages von der Einwilligung der gesetzlichen Vertreter abhängt. Da die Eltern unserer Mandantin ihren Kindern selbstverständlich beigebracht hatten, dass Schwarzfahren nicht in Ordnung ist und dass sie das auch nicht tun dürfen, fehlt es im vorliegenden Fall an einer entsprechenden Einwilligung.

Trotz der Eindeutigkeit der Rechtslage konnten die Dresdner Verkehrsbetriebe erst nach Einreichung einer Klage beim Amtsgericht Dresden dazu gebracht werden, den zu Unrecht erhobenen Anspruch gegenüber unserer Mandantin fallen zu lassen. Das Amtsgericht Dresden weist in seinem Urteil vom 26.01.2018 (Az.: 101 C 4414/17) ausdrücklich darauf hin, dass seitens der Eltern nicht wirksam in die Vertragsstrafenregelung eingewilligt wurde und daher gegenüber dem Minderjährigen kein Anspruch auf die Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgeltes besteht.

Nun wäre zu vermuten gewesen, dass die DVB diesen Fall zum Anlass nimmt, gegenüber Minderjährigen darauf zu verzichten, zu Unrecht die Vertragsstrafe in Höhe von 60,00 Euro einzufordern. Doch weit gefehlt: Zwischenzeitlich mussten wir in Erfahrung bringen, dass die Verkehrsbetriebe nach wie vor an ihrer Praxis festhalten und zunächst eine Forderung in Höhe 7,00 Euro geltend machen für den Fall, dass der Fahrschein innerhalb einer Woche vorgelegt wird. Kommt man dem nicht nach, erhöht sich die Forderung auf 60,00 Euro.

Fazit: Nach wie vor bestehen Verkehrsunternehmen auf die zu Unrecht erhobenen Forderungen und lassen diese erst fallen, wenn durch einen Rechtsanwalt der nachdrückliche Hinweis darauf erfolgt, dass die Forderung gegenüber dem Minderjährigen zu Unrecht erhoben wird. Da es immer mal wieder vorkommt, dass gerade Schüler ihre Monatskarte vergessen oder am Monatsanfang nicht durch die bereits abonnierte aktuelle Monatskarte austauschen, können wir den Betroffenen nur empfehlen, sich entsprechend zu wehren. Besser wäre es natürlich, wenn sich die Verkehrsunternehmen von vornherein entsprechend der dargestellten Rechtslage verhalten würden.

Allerdings muss an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass dies nur für die zivilrechtliche Verantwortung von Minderjährigen gilt. Denjenigen, der absichtlich ohne Erwerb eines Fahrerscheins ein Verkehrsmittel nutzt, trifft ab dem 14. Lebensjahr zwar weiterhin keine zivilrechtliche Verantwortung. Beim Erreichen der Strafmündigkeit kommt dann jedoch eine strafrechtliche Bewertung des Verhaltens in Betracht.

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