BGH entscheidet Sonderfall zur Verjährung eines Pflichtteilsanspruches

Erbrecht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Urteil vom 16.01.2013 (Az.: IV ZR 232/12) einen seit vielen Jahren schwelenden Streit über eine spezielle aber nicht seltene Verjährungsfrage im Pflichtteilsrecht grundsätzlich entschieden. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin machte gegen die Beklagte, ihre Schwester, Pflichtteilsansprüche geltend. Die Beklagte ist testamentarische Alleinerbin des verstorbenen Vaters der Parteien. Zunächst stritten die Geschwister auch gerichtlich über die Höhe des Pflichtteilsanspruches der Kläger. Im Ergebnis dieser gerichtlichen Auseinandersetzung wurde der Klägerin ein Pflichtteilsanspruch zugesprochen. Mehr als zwei Jahre nach Beendigung dieser gerichtlichen Auseinandersetzung erfuhren die Parteien von einem Erbenermittler, dass der Erblasser, der Vater der Parteien, auch Eigentümer eines weiteren Grundstückes war, was beiden Parteien zuvor unbekannt war. Dieses Grundstück war dem Erblasser zuvor von einer entfernten Verwandten vermacht worden. In der Folgezeit wurde dieses Grundstück veräußert und der Beklagten fiel als Erbin eine erhebliche Zahlung als Verkaufserlös zu.

Die Klägerin war nunmehr der Auffassung, dass ihr auch an diesem Verkaufserlös ein Pflichtteilsanspruch zustehe, da das Grundstück schließlich zum Nachlass ihres Vaters gehörte und sie deshalb als Pflichtteilsberechtigte partizipieren müsse. Die Klägerin erhob gegen diesen dann auch gerichtlich geltend gemachten, weiteren Pflichtteilsanspruch die Einrede der Verjährung. Zunächst hatte das Amtsgericht Potsdam die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat der Klage sodann stattgegeben, weil es den Pflichtteilsanspruch hinsichtlich des nachträglich bekannt gewordenen Nachlassgrundstückes nicht für verjährt hielt. Der BGH hat nunmehr mit dem eingangs genannten Urteil das Berufungsurteil des Landgerichtes Potsdam aufgehoben und dem erstinstanzli-chen Urteil des Amtsgerichtes Potsdam rechtkräftige Geltung verschafft. Der BGH hat entschieden, dass ein Pflichtteilsanspruch der Klägerin hinsichtlich des später bekannt gewordenen Nachlassgrundstückes verjährt sei.

Zu den Grundsätzen
Grundsätzlich verjährt ein Pflichtteilsanspruch nach altem und neuem, ab 01.01.2010 geltenden Recht, nach drei Jahren, wobei die Verjährungsfrist mit Kenntnis von dem Erbfall und von der den Pflichtteilsberechtigten enterbenden Verfügung von Todes wegen (Testament) zu laufen beginnt. Bisher fanden sich in Literatur und Rechtsprechung Meinungen, dass im Falle eines später neu auftauchenden Nachlassgegenstandes die Verjährungsfrist erst mit Kenntnis von dieser Nachlasszugehörigkeit zu laufen beginne. Andere Stimmen, auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung, haben für diesen Fall ausgeführt, dass es grundsätzlich nicht auf den subjektiven Kenntnisstand des Pflichtteilsberechtigten über den zum Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlassumfanges ankomme.

Der nun zur Entscheidung berufene Senat des BGH hat diese letztgenannte Auffassung aufgegriffen und für den hier zu entscheidenden Sonderfall bestätigt. Dafür spräche, dass der Wortlaut der gesetzlichen Verjährungsregelung keinen Anhaltspunkt dafür biete, dass es eben für die Frage des Beginnes der Verjährungsfrist auf die Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Umfang und Wert des Nachlasses ankomme. Fehlvorstellungen, Unkenntnis und Irrtümer des Pflichtteilsberechtigten über die Zusammensetzung des Nachlasses spielen danach für den Beginn des Laufes der Verjährungsfrist keine Rolle. Vielmehr sehe das Gesetz ja sogar für den Fall der Unkenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Eintritt des Erbfalles und der enterbenden letztwilligen Verfügung eine absolute Verjährungsfrist von 30 Jahren vor. Auch die Motive des Gesetzgebers sprächen für ein derartiges Verständnis der Rechtslage. Auch spräche der Sinn und Zweck von Verjährungsregelungen überhaupt für diese Auffassung. Es komme darauf an, innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes Rechtsfrieden mit Ablauf von Verjährungsfristen zu schaffen. Der BGH ist auch einer rechtlichen Argumentation des Landgerichtes Potsdam als Berufungsgericht in diesem Fall entgegengetreten, das hier über eine analoge Anwendung des § 2313 BGB zu dem Ergebnis gelangt sei, dass hier eben die Verjährung des Pflichtteilsanspruches hinsichtlich des neu bekannt gewordenen Nachlassgrundstückes erst mit dieser Kenntnis zu laufen begonnen habe. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2313 BGB lägen auch nicht ansatzweise vor und seien von der Interessenlage her nicht einschlägig. Im Übrigen würde ein derartiges Rechtsverständnis zu einer beträchtlichen Rechtsunsicherheit führen und die endgültige Abwicklung von Pflichtteilsansprüchen in über-schaubarer Zeit erheblich erschweren.

Fazit:   Somit trägt ein Pflichtteilsberechtigter also allein das wirtschaftliche Risiko in dem Falle, in dem er erst nach Ablauf der Verjährungsfrist von der Zugehörigkeit eines Nachlassgrundstückes Kenntnis erlangt. Dabei ist jedoch zu betonen, dass dieses nur für den Fall gilt, dass der auskunftspflichtige Erbe den betreffenden Nachlassgegenstand nicht schuldhaft verschwiegen hat oder auf sonstige Weise dafür gesorgt hat, dass die Unkenntnis des Pflichtteilsberechtigten aufrechterhalten wird. In diesem Falle dürfte die Berufung auf die Verjährung durch den Erben ein Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen und ihm diese Berufung verwehrt sein.

Auch durch die vorstehend behandelte Fallkonstellation wird deutlich, dass insbesondere bei auch nur geringsten Anhaltspunkten für das Vorhandensein weiterer Vermögenswerte der Pflichtteilsberechtigte gehalten ist, unabhängig von der Auskunft der Erben durchaus auch selbst Erkundigungen über den Bestand des Nachlasses einzuholen, um nicht auf die möglicherweise kenntnislosen Auskünfte des Erben angewiesen zu sein.

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