Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichtes (OLG) Koblenz vom 20.08.2012 (Az.: 5 U 821/12) gibt Anlass, einen besonderen und recht häufigen Aspekt rechtlicher Auseinandersetzungen unter Miterben zu beleuchten.
Das OLG Koblenz hatte sich in seiner vorgenannten Entscheidung mit der Klage einer Miterbin gegen ihren miterbenden Bruder zu befassen, die von diesem Auskunft über den geldlichen Bestand des Nachlasses der gemeinsamen Mutter und über den Umfang lebzeitiger Geldzuwendungen der gemeinsamen Mutter an den Beklagten wollte. Im Verlauf dieses Rechtsstreites hatte der Beklagte bereits auf Verlangen der Klägerin Auskunft über Rechtsgeschäfte erteilt, die er auf der Grundlage einer Vollmacht der verstorbenen Mutter hinsichtlich deren Vermögens vorgenommen hatte und die Klägerin hatte ihr diesbezügliches Auskunftsverlangen für erledigt erklärt. Der Klägerin ging es nunmehr also noch allgemein um Informationen hinsichtlich des geldlichen Nachlassbestandes zum Zeitpunkt des Erbfalles und um mögliche Zuwendungen, die der Beklagte von der Erblasserin erhalten hatte und die möglicherweise zu Ausgleichsansprüchen unter den Miterben, also auch zu ihren Gunsten, führen könnten.
Innerhalb von Erbengemeinschaften ist es fast die Regel, dass ein Mitglied der Erbengemeinschaft mutmaßlich aufgrund besonderer Nähe zum Erblasser über Informationen verfügt, die für die anderen Miterben von besonderem Interesse sind, weil sie eben Einfluss auf Umfang und Höhe ihrer eigenen Ansprüche als Miterben haben könnten. Dieses insbesondere deshalb, weil die Miterben etwa den Verdacht hegen, dass ein Miterbe Nachlassbestandteile, etwa Kontoguthaben des Erblassers, verschweigt oder der Erblasser zu Lebzeiten Zuwendungen gemacht hat, die eben zu Ausgleichsansprüchen der Miterben führen könnten.
Das OLG Koblenz hat in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der herrschenden Meinung in der juristischen Literatur grundsätzlich ausgeführt, dass es abgesehen von in diesem Falle nicht einschlägigen ausdrücklich gesetzlich geregelten Auskunftsansprüchen z. B. des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben oder des Erben gegen den sogenannten Erbschaftsbesitzer einen allgemeinen, aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB abzuleitenden Auskunftsanspruch nur ausnahmsweise unter der Voraussetzung geben kann, dass der anspruchstellende Miterbe sich auf einen feststehenden Leistungsanspruch berufen kann, über dessen Umfang er in entschuldbarer Weise im Ungewissen ist und Miterbe als Auskunftsschuldner dem unschwer abhelfen kann und – was von besonderer Bedeutung ist – eine sogenannte Sonderbeziehung zwischen diesen Miterben besteht. Hier erhoffte sich die Klägerin die Realisierung zusätzlicher Nachlasswerte. Es ging ihr darum, die Teilungsmasse unter Inanspruchnahme des Beklagten zu vergrößern und in der Folge ihre eigene Erbauseinandersetzungsberechtigung zu verbessern. Insoweit sei das erbrechtliche Verhältnis der Parteien berührt, das indessen keine sogenannte Sonderbeziehung begründe. Es reiche nicht aus, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Verbesserung ihrer Auseinandersetzungsberechtigung unter den Miterben besteht. Es müsse vielmehr gesichert sein, dass diese Erbauseinandersetzungsberechtigung dem Grunde nach bereits gesichert ist. Im vorliegenden Fall lagen die Dinge jedoch letztlich im Dunkeln, weil die Klägerin lediglich eine Vermutung hegte, dass ihr Bruder als Beklagter Informationen, die für sie wirtschaftlich von Bedeutung sind, vorenthält.
Die bloße Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit, dass der anspruchstellenden Miterbin nach einer Auskunft des anderen Miterben eine umfänglichere Berechtigung am Nachlass entsteht, reicht eben nicht aus (BGH, Urteil vom 07.12.1988; Az.: IV a ZR 290/87). Anders ausgedrückt: Allein eine Miterbenstellung begründet also keine für die Bejahung einer Auskunftspflicht genügende Sonderbeziehung. Eine derartige Sonderbeziehung hat es in dem von dem OLG Koblenz entschiedenen Fall zwar durchaus insoweit gegeben, als es wegen der lebzeitigen Vollmacht der Erblasserin an den Beklagten ein Auftragsverhältnis, also eine schuldrechtliche Sonderbeziehung gegeben hat. Das OLG Koblenz hatte jedoch über den diesbezüglichen Auskunftsanspruch nicht mehr zu entscheiden, weil der Beklagte eben über solche Rechtsgeschäfte, die er aufgrund der Vollmacht der Erblasserin getätigt hatte, bereits Auskunft erteilt hatte.
Im Ergebnis führt diese rechtliche Beschränkung von Auskunftsansprüchen unter Miterben leider häufig nach dem Erbfall zu dauerhaftem Misstrauen und zur Belastung etwa von geschwisterlichen Vertrauensverhältnissen insbesondere dann, wenn ein Miterbe etwa aufgrund des vorangegangenen, nicht besonders auskunftsfreudigen Verhaltens des anderen Miterben Misstrauen über die Vollständigkeit und Richtigkeit von Auskünften hegt. Der Gesetzgeber und auch die höchstrichterliche Rechtsprechung haben jedoch nun einmal – allerdings auch aus guten Gründen – einen derart allgemeinen und lediglich auf Verdachtsmomenten beruhenden Auskunftsanspruch unter Miterben verneint. Aus guten Gründen auch deshalb, weil ansonsten ein Miterbe auch zu seinem eigenen Nachteil gezwungen wäre, Auskünfte zu erteilen, die seine eigene rechtliche und wirtschaftlich Position schmälern. Auch ist zu berücksichtigen, dass ausufernde bzw. kaum beschränkte Auskunftsansprüche unter Miterben den rechtlichen Abschluss einer Erbauseinandersetzung über Gebühr erschweren und in die zeitliche Länge ziehen würden.
Fazit: Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass es einen Auskunftsanspruch unter Miterben nur dann geben kann, wenn eine rechtliche Sonderbeziehung über die miterbenschaftliche Beziehung hinaus, z. B. in Form eines Auftragsverhältnisses zwischen dem Anspruchsgegner und dem Erblasser, besteht und der auskunftsverlangende Miterbe dem Grunde nach bereits eine gesicherte Anspruchsposition hat und er lediglich noch insbesondere betragsmäßige Einzelheiten als Informationen benötigt, über die der miterbende Anspruchsgegner unschwer informieren kann. Es gibt also keinen allgemeinen ausforschenden Auskunftsanspruch unter Miterben.