Anlass für diesen Beitrag ist eine Entscheidung des OLG Hamm vom 20.09.2005 (AZ.: 15 W 188/05), die von Entscheidungen des BayOblG vom 16.03.1995 (AZ.: 1Z BR 82/94) und vom 28.04.1998 (AZ.: 1Z BR 26/98) abweicht und nun zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung dem BGH zur Entscheidung vorliegt.
Ein testamentarischer oder gesetzlicher Erbe steht regelmäßig nach Eintritt des Erbfalles vor der Frage, ob er die Erbschaft annehmen oder ausschlagen soll. Häufig unterliegt der Erbe bei der Beantwortung dieser Frage Irrtümern, die dann nach Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft zu unerwünschten Rechtsfolgen führen.
Ist die Annahme oder Ausschlagung erfolgt, ermöglicht das Gesetz nur eingeschränkt, die damit verbundenen Rechtsfolgen nachträglich zu beseitigen. Gemäß §§ 1954,1956,119 BGB ist die Anfechtung von Willenserklärungen bzw. deren Unterlassung, die zur Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft führen, lediglich bei Vorliegen bestimmter Irrtumsfälle unter Beachtung der Regelfrist von sechs Wochen wirksam möglich. In der Regel eher unproblematisch ist der häufige Fall, in dem ein Irrtum über eine vorhandene oder fehlende Überschuldung des Nachlasses vorliegt, der in der Regel als Eigenschaftsirrtum gemäß § 119 Abs.2 BGB einen anerkannten Anfechtungsgrund darstellt.
Schwieriger ist die Rechtslage und die Prognose des Ergebnisses gerichtlicher Verfahren jedoch in manchen Konstellationen zu beurteilen, in denen der Betreffende sich über die Rechtsfolgen einer Annahme oder Ausschlagung irrt. Das ist der Fall, wenn die Annahme oder Ausschlagung nicht ausschließlich die erstrebten, sondern andere unerwünschte Rechtswirkungen hervorruft. Die gefestigte Rechtsprechung erkennt derartige Irrtümer über Rechtsfolgen nicht als Anfechtungsgrund an, die sich nicht auf die unmittelbar eintretenden Rechtsfolgen beziehen, sondern auf andere rechtliche Nebenwirkungen. Dieses betrifft etwa den pflichtteilsberechtigten Erben, der den Inhalt des § 2306 BGB nicht kennt oder missversteht und irrig glaubt, die mit Belastungen und Beschwerungen versehene Erbschaft ausschlagen bzw. annehmen zu können oder müssen, um seinen Pflichtteil zu erhalten. Das OLG Hamm hatte in seiner eingangs bezeichneten Entscheidung den Fall zu beurteilen, in dem ein Alleinerbe wegen verschiedener erheblicher Vermächtnisse die Erbschaft annahm, da er irrig glaubte, nicht ausschlagen zu dürfen, um seinen Pflichtteil zu erhalten.
Es ist der Auffassung, dass dieser Irrtum sich auf die Hauptwirkungen der Annahme der Erbschaft beziehe und die Anfechtung gemäß § 119 Abs.1 BGB wirksam sei. Demgegenüber hat das BayOblG in zwei vergleichbaren Fällen einen derartigen Irrtum als solchen beurteilt, der sich als unbeachtlicher Motivirrtum ausschließlich auf Nebenwirkungen beziehe und eine wirksame Anfechtung verneint.
Fazit: Diese komplexe Rechtslage verdeutlicht, dass es unbedingt ratsam ist, sich ggf. rechtzeitig rechtlichen Rat einzuholen. Schon das tatenlose Verstreichenlassen der gesetzlichen Ausschlagungsfrist kann zu unabänderlichen Nachteilen für den Betroffenen führen.