Die kranke Mutter hatte eine Patientenverfügung bzw. Erklärung in gesunden Zeiten verfasst, wonach sie unter bestimmten Voraussetzungen „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ wünsche. Die 1941 geborene Mutter erlitt 2011 einen Hirnschlag. Im Krankenhaus wurde ihr eine Magensonde gelegt, über die sie seitdem ernährt und mit Medikamenten versorgt wurde. Im Januar 2012 wurde sie in ein Pflegeheim aufgenommen. Die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene Fähigkeit zur verbalen Kommunikation verlor sie infolge einer Phase epileptischer Anfälle im Frühjahr 2013. Die kranke Mutter hatte im Jahre 2003 ihrer Tochter eine notarielle Vollmacht erteilt, die diese zur Vertretung auch in Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung berechtigte. Danach durfte die Tochter als Bevollmächtigte in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, in eine Heilbehandlung oder in die Durchführung eines ärztlichen Eingriffes einwilligen, die Einwilligung hierzu verweigern oder zurücknehmen. Diese Vollmacht enthielt zudem die Befugnis der Tochter, über den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen zu entscheiden mit dem Zusatz, dass die Mutter im Falle einer zum Tode führenden Erkrankung keinen Wert auf solche Maßnahmen lege, wenn feststehe, dass eine Besserung des Zustandes nicht erwartet werden könne.
Die bevollmächtigte Tochter und die behandelnde Hausärztin waren übereinstimmend der Auffassung, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung gegenwärtig nicht dem Willen der Mutter entspräche. Weitere Töchter der kranken Mutter vertraten jedoch die gegenteilige Auffassung und beantragten deshalb beim Betreuungsgericht die Bestimmung eines Kontrollbetreuers gemäß § 1896 Abs. 3 BGB, damit dieser die der Schwester erteilten Vollmachten widerrufe. Da das Amtsgericht dieses ablehnte, hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und eine der beiden auf Abbruch der künstlichen Ernährung drängenden Töchter zur Betreuerin der Betroffenen mit dem Aufgabenkreis „Widerruf der von der Betroffenen erteilten Vollmachten, allerdings nur für den Bereich der Gesundheitsfürsorge“ bestellt. Die Rechtsbeschwerde der bevollmächtigten Tochter zum Bundesgerichtshof war nun jedoch erfolgreich. Der Bundesgerichtshof führte u. a. aus, dass die Äußerung „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung enthalte.
Der Bundesgerichtshof hat nunmehr in seiner Entscheidung vom 08.02.2017 (Az.: XII ZB 604/15) näher konkretisiert, wie eine Behandlungsentscheidung in einer Patientenverfügung anhand welcher Kriterien zu präzisieren ist, um sie wirksam und lebensnah zu gestalten. Die Konkretisierung, so der BGH, könne „sich im Einzelfall aber auch bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben.“ Der Bundesgerichtshof schlug vor, dass zunächst zu klären sei, ob der derzeitige Gesundheitszustand etwa eines Wachkomapatienten, auf die in einer Patientenverfügung konkret bezeichnete Behandlungssituation zutreffe. Hat also ein Wachkomapatient in einer Patientenverfügung geregelt, dass er keine lebenserhaltenden Maßnahmen wünsche, wenn er dauerhaft und endgültig das Bewusstsein verloren habe, ist eben zu klären, ob der Wachkomapatient das Bewusstsein wirklich endgültig verloren hat. Die medizinische Wissenschaft kennt Phänomene, wonach auch Wachkomapatienten das Bewusstsein nicht vollständig verloren haben. Insoweit ist hier also eine klare medizinische Indikation zu treffen.
Hinweise für die Praxis
Häufig beenden Menschen ihr Leben im Krankenhaus, oft nach langen Zeiten der Entscheidungsfähigkeit. Wird ein Patient beispielsweise nach einem Schlaganfall in ein Krankenhaus eingeliefert, müsste er dort zunächst notfallmäßig behandelt und auch künstlich ernährt werden. Denn die Prognose in diesen Fällen ist oft zunächst unklar. Erst wenn die Ärzte ausschließen können, dass der Patient seine Urteils- und Einsichtsfähigkeit wiedererlangt, ist auf eine vorhandene Patientenverfügung zurückzugreifen. Liegen diese Voraussetzungen vor – kommt es also auf die Patientenverfügung an – müssen die Ärzte zusammen mit dem Betreuer oder Bevollmächtigten prüfen, ob die Patientenverfügung auf die aktuelle Behandlungssituation wirklich zutrifft. Tut sie dieses und besteht Einvernehmen zwischen Arzt und Betreuer, darf nur noch palliativ behandelt werden. Schwierigkeiten ergeben sich dann, wenn sich ein Einvernehmen nicht herstellen lässt oder die Aussagen in der Patientenverfügung widersprüchlich oder zu unbestimmt sind.
Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass eine Patientenverfügung möglichst konkret Krankheitszustände und Voraussetzungen dafür darstellen muss, bestimmte ebenfalls näher bezeichnete medizinische Maßnahmen zu unterlassen. Dies erfordert eine nähere Auseinandersetzung auch mit medizinischen Tatbeständen und eine ausreichend klare, verbale Formulierung. Es ist anzuraten, sich über die relevanten Krankheitszustände auch in ihrer Terminologie ebenso näher zu informieren wie über ärztliche Maßnahmen, die unerwünscht sind. Dann sollte möglichst präzise das beschrieben werden, was in der letzten Lebensphase gewünscht bzw. nicht gewünscht ist.