Wie gelangt der/die Pflichtteilsberechtigte an den Wert einer Nachlassimmobilie?

Erbrecht

Für eine pflichtteilsberechtigte Person stellt sich häufig die Frage nach der Höhe des Pflichtteilsanspruches, die sich bei Vorliegen einer Nachlassimmobilie nicht ohne Weiteres beantworten lässt, weil deren Verkehrswert zum relevanten Stichtag nicht bekannt ist.

Nun gewährt § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB der pflichtteilsberechtigten Person einen Wertermittlungsanspruch gegen den Erben, der also auf Verlangen der pflichtteilsberechtigten Person auf Kosten des Nachlasses ein unparteiisches Sachverständigengutachten einzuholen und der pflichtteilsberechtigten Person vorzulegen hat. Das Ergebnis eines derartigen Sachverständigengutachtens ist aber weder für die pflichtteilsberechtigte Person noch für den Erben, der den Pflichtteilsanspruch zu erfüllen hat, verbindlich. Vielmehr dient dieses Sachverständigengutachten lediglich dazu, der pflichtteilsberechtigten Person eine unverbindliche Orientierung über den Verkehrswert der Nachlassimmobilie zu geben.

In der anwaltlichen Praxis wird das Ergebnis eines derartigen Sachverständigengutachtens jedoch häufig als Berechnungsgrundlage für den Pflichtteilsanspruch herangezogen und akzeptiert. Hält die pflichtteilsberechtigte Person das Ergebnis des Sachverständigengutachtens jedoch für unrichtig, steht es ihr frei, im Wege einer Zahlungsklage gegen den Erben, einen aus ihrer Sicht richtigen Verkehrswert einer Nachlassimmobilie zu unterstellen, daraus ihre Klageforderung zu berechnen und für den Fall, dass der beklagte Erbe diesen Wert nicht akzeptiert, als Beweismittel in dem Rechtsstreit ein vom Gericht einzuholendes Sachverständigengutachten anzubieten. Dies birgt für die pflichtteilsberechtigte Person das Risiko, dass sich der von ihr angenommene Wert der Nachlassimmobilie im Rechtsstreit nicht bewahrheitet, sie mit seiner Zahlungsklage dann mindestens teilweise unterliegt und entsprechend negative Kostenfolgen in dem Rechtsstreit zu tragen hat.

Das OLG Hamm hat in einer aktuellen Entscheidung der pflichtteilsberechtigten Person einen anderen Weg aufgezeigt, der in der Regel geringere Kostenrisiken birgt und vor allen Dingen zu einer verbindlichen Festlegung des Verkehrswertes der Nachlassimmobilie führt, aus dem die pflichtteilsberechtigte Person dann verlässlich ihren Pflichtteil berechnen und auch gerichtlich durchsetzen kann (OLG Hamm, Beschluss vom 03.01.2023, Az.: 10 W 71/22).

Dieser Weg besteht darin, dass die pflichtteilsberechtigte Person im Zuge eines selbständigen Beweisverfahrens gemäß § 485 ZPO die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung des Verkehrswertes einer im Nachlass vorhandenen Immobilie verlangen kann und nicht etwa auf die Erhebung einer Wertermittlungsklage gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB zu verweisen ist. Dieses selbständige Beweisverfahren führt zur Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht. Diese Wertermittlung führt dann auch mit einiger Wahrscheinlichkeit dazu, dass der Erbe das für ihn in aller Regel auch verbindliche Ergebnis der Wertermittlung akzeptiert und den Pflichtteilsanspruch außergerichtlich erfüllt, ohne dass die pflichtteilsberechtigte Person ihren diesbezüglichen Pflichtteilsanspruch auch noch in einem weiteren gerichtlichen Verfahren einklagen muss.

Für die pflichtteilsberechtigte Person wirkt es sich vorteilhaft aus, dass das selbständige Beweisverfahren im Vergleich zu einem sonstigen streitigen Verfahren deutlich geringere Gerichtsgebühren verursacht und eben in aller Regel auch einen für den Erben verbindlichen Verkehrswert zum Ergebnis hat.

Zurück

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Dann teilen Sie ihn doch mit anderen: