Anrechnung von fiktivem Einkommen bei Kindesunterhalt – Bundesverfassungsgericht konkretisiert Anforderungen

Väter oder Mütter, die ihren Kindern keine Betreuung leisten, weil sie nicht mehr zusammenleben und sich das gemeinsame Kind nun ausschließlich im Haushalt des anderen Elternteils befindet, sind grundsätzlich zum Barunterhalt verpflichtet. Die Höhe des zu leistenden Unterhaltes richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle. Für die Ermittlung der Höhe des Unterhalts sind die Parameter Alter des Kindes und das einzusetzende Nettoeinkommen des verpflichteten Elternteils heranzuziehen. Dabei gilt, dass der Unterhaltsverpflichtete gegenüber seinem minderjährigen Kind gesteigert erwerbsoblegen ist. Das heißt, er hat seine Arbeitskraft so einzusetzen, dass er in der Lage ist, zumindest den Mindestunterhalt sicherzustellen. Grund dafür ist, dass ein Kind seinen Unterhalt nicht selbst verdienen kann.

Kommt der Unterhaltsverpflichtete dieser Erwerbsobliegenheit nicht nach, kann für die Ermittlung des Unterhalts ein fiktives Einkommen herangezogen werden. Das bedeutet, dass der Unterhaltsschuldner so gestellt wird, als würde er das im Rahmen seines erlernten Berufes mögliche Einkommen erwirtschaften, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall ist. Der Verpflichtete hat dann in jedem Fall Unterhalt zu leisten und kann sich nicht darauf berufen, dass er nicht leistungsfähig ist.

In seinen Entscheidungen vom 18.06.2012 hat das Bundesverfassungsgericht nun die Voraussetzungen für die Bemessung des fiktiven Einkommens konkretisiert (Az.: 1 BvR 774/10, Az.: 1 BvR 1530/11, Az.: 1 BvR 2867/11).
Zunächst bestätigt das Gericht die bisherige Rechtsprechung dahingehend, dass dem Unterhaltspflichtigen ein Fehlen von Erwerbsbemühungen vorzuwerfen sein muss.
Als weitere Voraussetzung konkretisierte das Bundesverfassungsgericht nun, dass die zur Erfüllung der Unterhaltspflichten erforderlichen Einkünfte für den Unterhaltsverpflichteten auch objektiv erzielbar sein müssen. Dabei sind vor allem Alter, Gesundheitszustand, berufliche Qualifikation, Erwerbsbiographie und das Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen.  

Fazit: Die Gerichte haben in Bezug auf diese objektive Komponente nun konkrete Feststellungen zu treffen, auf welcher Grundlage das fiktive Einkommen ermittelt wurde. Dies ist zu begrüßen. Für eine hinreichende Begründung sind künftig noch mehr Fakten der individuellen Lebensumstände des Unterhaltsverpflichteten heranzuziehen. Sie können nun nicht mehr so einfach ein erzielbares Einkommen unterstellen, stattdessen muss die Möglichkeit konkret gegeben sein und dargelegt werden. 

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