Familienrecht und Scheidung
PAS: Eltern-Kind-Entfremdung
Das familiengerichtliche Dilemma: Pest oder Cholera?
Der vom Umgang ausgeschlossene Elternteil macht irgendwann nachvollziehbar geltend, das Kind solle doch bitte zu ihm wechseln, damit wieder ein Kontakt zu ihm stattfindet. Dem bislang betreuenden Elternteil würde dann von ihm, anders als umgekehrt, Umgang gewährt.
Diese Lösung scheint logisch zu sein. Es würde aber nicht berücksichtigt, dass das Kind zu seinem „bösen“ Elternteil wechseln soll, das es komplett ablehnt. Dies wäre für das Kind eine extreme psychische Belastung. Deshalb wird in solchen Fällen bisweilen vertreten, das Kind vorübergehend fremd unterzubringen, um es zunächst aus dem Umfeld des betreuenden Elternteils zu nehmen, um dann einen Umgang mit beiden Elternteilen durchzuführen, um schließlich einen Wechsel zum bislang nicht betreuenden Elternteil schrittweise zu ermöglichen.
Aber auch diese Lösung ist für das Kind höchst problematisch. Wird es doch von seiner „geliebten“ Hauptbezugsperson, zu der es möglicherweise sogar eine symbiotische Beziehung hat, getrennt. Das wäre für das Kind schwer zu begreifen und gleichfalls eine massive psychische Belastung. Im Ergebnis steckt man in einem Dilemma und hat eigentlich „nur die Wahl zwischen Pest und Cholera“.
Der Fall vor dem OLG Frankfurt
Die Eltern dreier Kinder im Alter von zwölf, zehn und sieben Jahren hatten nach der Trennung regelmäßig massiv eskalierende Konflikte. Die Kinder lebten bei ihrer Mutter. Ein Umgang mit dem Vater ließ sich nicht etablieren, woraufhin der Vater im erstinstanzlichen Verfahren schließlich einen Sorgerechtsantrag stellte. In einem lösungsorientierten Sachverständigengutachten wurde eine temporäre Fremdunterbringung der Kinder thematisiert. Das Familiengericht entzog den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht und brachte die Kinder in einer Wochengruppe unter. Die Wochenenden verbrachten die Kinder im Wechsel bei ihren Eltern.
Das Oberlandesgericht (OLG) hob diese Entscheidung auf. Die Entscheidung sei unverhältnismäßig gewesen. Im Rahmen einer differenzierten Aufklärung und Gefahrenabwägung sei der zum Zwecke der Fremdunterbringung beschlossene Sorgerechtsentzug nicht das für die Kinder einzig gebotene und verhältnismäßige Mittel gewesen, um ihre Gesamtsituation zu verbessern. In einer Gesamtschau sei zwar zu berücksichtigen, dass die Kinder durch den hoch konflikthaften Umgangsstreit ihrer Eltern beeinträchtigt werden. Schwerwiegender seien aber die für die Kinder mit der Herausnahme aus dem Haushalt der Mutter offensichtlich verbundenen Entwicklungsrisiken (Beschluss vom 29.01.2025, Az.: 1 UF 186/24).
Zwischen Kontaktwunsch und Kindeswohl
Beide Entscheidungen können kontrovers diskutiert werden. Ist es besser, dass die Kinder eine Zeitlang in einer Wohngruppe leben und anschließend beide Elternteile wieder regelmäßig sehen können? Oder soll dies den Kindern mit der Konsequenz erspart bleiben, dass sie ihren Vater nicht mehr sehen?
So oder so haben und werden die Kinder massiven Schaden nehmen, was sie vermutlich ihr ganzes Leben begleiten wird. Ursächlich dafür sind die Eltern – und nur die Eltern.
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