BGH erschwert Vermietern die Kündigung von Wohnraummietverhältnissen

Wer als Vermieter ein Wohnraummietverhältnis beenden will, benötigt in der Regel hierfür ein sogenanntes „berechtigtes Interesse“ an der Beendigung.

Einige Regelfälle nennt das Gesetz ausdrücklich:

  • Pflichtverletzung durch den Mieter,
  • Eigenbedarf,
  • fehlende Verwertungsmöglichkeit.

Andere sind unbenannt. Der Bundesgerichtshof (BGH) neigte hier in den letzten Jahren zu einer vermieterfreundlichen weiten Auslegung. So konnte etwa eine Mietwohnung gekündigt werden, weil die Ehefrau in diesen Räumen eine Kanzlei eröffnen wollte etc.

Diese für Vermieter angenehmen Zeiten scheinen nun vorbei zu sein. Jedenfalls schränkt der BGH seine bisherige großzügige Rechtsprechung ein (Az.: VIII ZR 45/16).

Der Ausgangsfall:  Der Mieter war seit 1977 Mieter einer 27 m² großen Zweizimmerwohnung. Der Ehemann der Vermieterin betreibt nach ihrer Darstellung im ersten Geschoss des Vorderhauses des Anwesens, in dem sich die vom Beklagten genutzte Wohnung befindet, ein Beratungsunternehmen. Der Fall spielt im wohnungstechnisch hart umkämpften Berlin.

Die Vermieterin kündigte das Mietverhältnis mit der Begründung, ihr Ehemann benötige die Wohnung zur Erweiterung seines seit 14 Jahren ausgeübten Gewerbes, da die räumliche Kapazität der hierzu im ersten Obergeschoss des Anwesens angemieteten Räume ausgeschöpft sei. Die auch als Beratungsräume genutzten Büroräume seien überfrachtet mit bis an die Decke reichenden, überfüllten Aktenregalen. Ihr Ehemann beabsichtige daher, in der Wohnung des Beklagten einen weiteren Arbeitsplatz samt Archiv einzurichten. Zur Verwirklichung dieses Vorhabens wolle sie ihm die vom Beklagten genutzte Mietwohnung zur Verfügung stellen.

Der BGH hat das nicht ausreichen lassen. Der BGH entwickelt in der Entscheidung sogenannte „Leitlinien“, die er für die Bewertung künftiger Kündigungsgründe beachtet wissen will.

Das Interesse des Vermieters, die betreffende Wohnung zu (frei-)beruflichen oder gewerblichen Zwecken selbst zu nutzen, sei, so der BGH, von der Interessenlage her regelmäßig zwischen den oben erwähnten typisierten Regeltatbeständen anzusiedeln

So soll der Entschluss eines Vermieters, die Mietwohnung nicht nur zu Wohnzwecken zu beziehen, sondern dort zugleich überwiegend einer geschäftlichen Tätigkeit nachzugehen (sog. Mischnutzung), eine größere Nähe zum Eigenbedarf nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB aufweisen, da er in solchen Fallgestaltungen in der Wohnung auch einen persönlichen Lebensmittelpunkt begründen will. In diesen Fällen wird es regelmäßig ausreichen, so der BGH, dass dem Vermieter bei verwehrtem Bezug ein beachtenswerter Nachteil entstünde – was bei einer auf nachvollziehbaren und vernünftigen Erwägungen der Lebens- und Berufsplanung des Vermieters häufig der Fall sein dürfte.
Entsprechendes gilt, wenn die Mischnutzung durch den Ehegatten oder Lebenspartner des Vermieters erfolgen soll.

Dagegen würden Fälle, in denen der Vermieter oder sein Ehegatte/Lebenspartner die Wohnung ausschließlich zu geschäftlichen Zwecken nutzen möchte, eine größere Nähe zur Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB aufweisen. Angesichts des Umstands, dass der Mieter allein aus geschäftlich motivierten Gründen von seinem räumlichen Lebensmittelpunkt verdrängt werden soll, muss der Fortbestand des Wohnraummietverhältnisses für den Vermieter einen Nachteil von einigem Gewicht darstellen, was etwa dann anzunehmen sein kann, wenn die geschäftliche Tätigkeit andernfalls nicht rentabel durchgeführt werden könnte oder die konkrete Lebensgestaltung die Nutzung der Mietwohnung erfordert (z. B. gesundheitliche Einschränkungen, Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Personen).
Gemessen hieran sei im vorliegenden Fall ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Beendigung des Mietverhältnisses nicht gegeben, denn aufgrund der beabsichtigten Nutzung allein für gewerbliche Zwecke ihres Ehemannes hätte die Klägerin andernfalls entstehende Nachteile von einigem Gewicht darlegen müssen, was sie aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht getan hat.

Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Klägerin oder ihr Ehemann durch eine Auslagerung eines größeren Teils des (teilweise dreißig Jahre zurückreichenden) Aktenbestands in andere, etwas entfernter gelegene Räumlichkeiten eine wirtschaftliche Einbuße von einigem Gewicht oder ein die Organisation des Unternehmens nicht unerheblich beeinträchtigender Nachteil entstehen würde und sie deshalb auf die beabsichtigte Nutzung der Mietwohnung – bislang persönlicher Lebensmittelpunkt des Beklagten – angewiesen wären.

Fazit:  Wie so häufig: Der Spruch wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet.

Es bleibt insofern natürlich den Instanzgerichten vorbehalten, hier genauer zu definieren, wann ein solcher „beachtenswerter Nachteil“ vorliegt oder sind die Ausführungen eher so zu verstehen, dass bei (teil-)gewerblicher Eigennutzung ein solcher Nachteil zu unterstellen ist? Was ist mit dem Selbstständigen, der bis spät in die Nacht arbeitet und eine Liege im „Kämmerchen“ hat – soll also künftig die Beurteilung der Kündigung von solchen Fragen abhängen?
Der BGH hat – leider – die sich in den letzten Jahren abzeichnende klare Linie, Kündigungsmöglichkeit einerseits bei Stärkung der Mieterinteressen bei der Frage der sozialen Härtefallabwägung verlassen.

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