Behinderte Kinder werden volljährig

Der 18. Geburtstag und somit die Volljährigkeit der eigenen Kinder ist nicht nur für die Kinder selbst, sondern auch für jeden Elternteil ein besonderer Abschnitt im Leben. Auch wenn noch nicht endgültig feststeht, wohin der zukünftige Weg der Kinder geht, so macht man sich doch als Eltern insbesondere Gedanken darüber, wie die finanzielle Situation zukünftig abgesichert werden kann.

Für behinderte Kinder und deren Eltern ist dies meist nochmals eine ganz besondere Situation, da mit Beginn dieses neuen Lebensabschnittes bisher bewilligte Leistungen neu beantragt werden müssen, sich Änderungen zum Schwerbehindertenausweis ergeben können und andere Leistungen neu beantragt werden können bzw. müssen. Nachfolgend soll ein kurzer Überblick gegeben werden:

1.    Rechtliche Betreuung

Mit Eintritt in die Volljährigkeit endet das Sorgerecht der Eltern und damit die Befugnis, das Kind in allen, auch rechtlichen Angelegenheiten zu vertreten. Soweit absehbar ist, dass das Kind nicht die entsprechende Fähigkeit haben wird, die Bedeutung und Tragweite von Erklärungen wie beispielsweise den Abschluss von Verträgen etc. zu erkennen, sollte möglichst frühzeitig, mindestens 6 Monate vor dem 18. Geburtstag ein Antrag auf rechtliche Betreuung gestellt werden. Die Bearbeitungszeiten beim zuständigen Betreuungsgerichtes sind oft lang, im Rahmen des Verfahrens muss u. a. ein Gutachten eingeholt werden, sodass die vorzeitige Antragstellung wichtig ist, um über den 18. Geburtstag hinaus für sein Kind Entscheidungen zu treffen und handlungsfähig zu bleiben.

2.    Grundsicherung nach SGB XII

Solange der Jugendliche noch zu Hause lebt, kann mit Eintritt der Volljährigkeit ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII bestehen, soweit eine dauerhafte Erwerbsminderung gegeben ist. Bei Jugendlichen, welche eine Schule mit Schwerpunkt geistige Behinderung besuchen und auch bei Jugendlichen, welche im Anschluss an die Schulzeit in eine Werkstatt für behinderte Menschen aufgenommen werden, ist dringend zu empfehlen, einen solchen Antrag zu stellen.

Die Bewilligung der Leistungen ist vom Einkommen der Eltern unabhängig, soweit die Einkommensgrenze in Höhe von 100.000 Euro brutto im Jahr nicht überschritten wird. Unterhaltsansprüche werden insoweit nicht auf den Sozialhilfeträger übergeleitet. Soweit eine Überschreitung der Einkommensgrenze vorliegt, wird ein minimaler monatlicher Pauschalbetrag fällig.

Bei der Beantragung und der Durchsetzung des Anspruches sollte man hartnäckig bleiben, da die Sozialhilfeträger meist der Auffassung sind, dass solange der Jugendliche sich noch in der Schulausbildung befindet oder im Eingangs-/Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeitet, eine dauerhafte Erwerbsminderung nicht feststeht.

Insbesondere bei Menschen, welche im Eingangs-/Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen angegliedert sind, ist die Rechtsprechung jedoch eindeutig. Hier ist davon auszugehen, dass eine dauerhafte Erwerbsminderung vorliegt und somit Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII zu bewilligen sind.

Hinsichtlich der Jugendlichen, welche sich noch in der Schulausbildung befinden, so ist diese Rechtsfrage derzeitig gerade beim Sächsischen Landessozialgericht zur Klärung anhängig. Sobald hier eine Entscheidung vorliegt, werden wir Sie darüber informieren.

Soweit die entsprechenden Leistungen durch die Sozialhilfeträger abgelehnt werden, empfiehlt sich daher dringend die Erhebung des Widerspruches. Gegebenenfalls ist anschließend die Durchführung eines Klageverfahrens notwendig. Hierbei stehen wir ihn selbstverständlich gern unterstützend zur Verfügung.

Daran denken sollte man jedoch, dass Leistungen der Sozialhilfe grundsätzlich nur derjenige erhält, wer die benötigte Leistung nicht mit eigenem Einkommen und Vermögen finanzieren kann. Sparvermögen, das einen bestimmten Freibetrag (meist 5000 Euro) übersteigt, muss daher zunächst verbraucht werden, bevor man Sozialhilfe in Anspruch nehmen kann. Es sollte daher gut überlegt sein, ob für die behinderten Kinder zu Zeiten der Minderjährigkeit Vermögenseinsparungen getätigt werden.

3.    Grad der Behinderung und Merkzeichen

Viele behinderte Kinder verfügen über einen Schwerbehindertenausweis, mit welchen der Grad der Behinderung festgestellt wurde und auch die Voraussetzungen bestimmter Merkzeichen. Mit Vollendung des 18. Lebensjahres erfolgt meist eine Überprüfung des Grades der Behinderung (GdB) als auch der Voraussetzung für vorliegende etwaige Merkzeichen. Insbesondere das Merkzeichen H (Hilflosigkeit) wird nach dem Eintritt der Volljährigkeit oft aberkannt. Hintergrund ist, dass meist ohne weitere tiefgehende Prüfung davon ausgegangen wird, dass die Volljährigen ausreichend gelernt hätten, ohne Hilfspersonen auszukommen. Hier ist es unbedingt ratsam, bei einer Aberkennung von Merkzeichen oder einer Herabsetzung des GdB mit Eintritt der Volljährigkeit, die Bescheide einer rechtlichen Überprüfung zu unterziehen.

4.    Kindergeld

Kindergeld wird Eltern grundsätzlich bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ihres Kindes gezahlt. Eltern von behinderten Kindern kann auch nach Eintritt der Volljährigkeit ein Anspruch auf Kindergeld zustehen. Voraussetzung ist hierfür, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist und das Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Soweit und solange diese Voraussetzungen vorliegen, wird Kindergeld altersunabhängig gezahlt. Es muss jedoch mit Vollendung des 18. Lebensjahres neu beantragt werden.

5.    Besondere Eingliederungshilfen

Ferner gibt es eine Vielzahl von Ansprüchen der Eingliederungshilfe. Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es unter anderem, eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen und behinderte Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehören insbesondere die Leistungen zur Teilhabe in der Gemeinschaft, beispielsweise durch Assistenzleistungen für jegliche individuelle Bedürfnisse in der Freizeitgestaltung aber auch für berufsfördernde Leistungen. Das Bundesteilhabegesetz gibt hier eine Vielzahl von Möglichkeiten und Ansprüchen. Sobald man als Angehöriger eines behinderten Menschen oder aber als behinderter Mensch selbst bemerkt, dass eine bestimmte Aktivität aufgrund der bestehenden Beeinträchtigung nicht oder nur eingeschränkt ausgeübt oder wahrgenommen werden kann, sollte man einen entsprechenden Antrag beim Sozialhilfeträger zu stellen. Sollte dieser Antrag abgelehnt oder nicht in dem erforderlichen Umfang bewilligt werden, steht zur Durchsetzung der Ansprüche Rechtsanwältin Lorenz gern zur Verfügung.

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