Krankenkasse verliert Streit um nicht zugelassenes Medikament (Immunglobulin)

Unsere Mandantin leidet an einer schubförmig verlaufenden Multiplen Sklerose (MS). Aufgrund einer Schwangerschaft beantragte sie für die Zeit nach der Entbindung die Kostenübernahme für die Behandlung mit Immunglobulin. Unmittelbar nach der Entbindung und während der Stillzeit besteht ein erhöhtes Schubrisiko; weiterhin handelt es sich um das einzige Medikament, das während der Stillzeit verträglich, also nicht kontraindiziert ist. Trotz des hohen Gesundheitsrisikos für die Mandantin wurde der Antrag jedoch abgelehnt. Die Krankenkasse (City BKK) verwies auf zugelassene Medikamente, die jedoch alle kontraindiziert sind. Die Mandantin könne ja auf das Stillen verzichten und im Übrigen erst einmal abwarten, ob ein Schub auftritt. Zu beachten ist bei Multipler Sklerose, dass jeder Schub unweigerlich neurologische Störungen und Lähmungserscheinungen zur Folge hat.

Die Mandantin nahm gerichtlichen Rechtsschutz im Eilverfahren in Anspruch. Inhaltlich problematisch ist dabei insbesondere, dass es sich bei Immunglobulin um ein für die Krankheit noch nicht zugelassenes Arzneimittel handelt. Dennoch steht dies einer Verordnung zu Lasten der Krankenkasse nicht grundsätzlich entgegen, denn nach einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.03.2002 hat die Kostenübernahme unter folgenden drei Voraussetzungen zu erfolgen: Es handelt sich um eine schwerwiegende Erkrankung, bezüglich derer keine andere Therapie verfügbar ist. Darüber hinaus muss aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht bestehen, dass ein Behandlungserfolg erzielt werden kann. Das Sozialgericht Dresden lehnte jedoch trotz des unmittelbar bevorstehenden Entbindungstermins den Eilantrag ab, da ein ausreichender Behandlungserfolg nicht nachgewiesen sei. Das Risiko durch die Einnahme von Immunglobulin sei höher zu bewerten, als das Unterlassen einer Behandlung (Az.: 16 KR 351/05 ER).

Dieser Auffassung ist nun das Landessozialgericht Chemnitz aufgrund unserer Beschwerde durch Beschluss vom 10.08.2005 entgegengetreten. Der Mandantin wurde für sechs Monate nach der Entbindung die Versorgung mit Immunglobulin durch die Krankenkasse zugesprochen. Zwar lässt das LSG offen, ob die Wirksamkeit der Behandlung nachgewiesen ist, bejaht jedoch eine hinreichende Erfolgsaussicht. Insbesondere betont das LSG, dass die Gesundheit der Antragstellerin höher zu bewerten sei als die Interessen der Krankenkasse. Es sei nicht zuzumuten, einen Schub erst abzuwarten. Weiter gehöre auch das Stillen zum Recht der Mutter, das zudem auch medizinisch empfohlen werde (Az.: L 1 B 143/05 KR-ER).

Fazit:   Der vorliegende Beschluss ist für MS-Patientinnen in Sachsen von großer Bedeutung, da geklärt ist, dass trotz der noch immer widersprüchlichen Aussagen zur Wirksamkeit der Immunglobulin-Therapie, eine Verordnung zu Lasten der Krankenkasse zu erfolgen hat. Es besteht zwar das Risiko, dass eine Rückzahlung der Kosten zu erfolgen hat, wenn in der Hauptsache der Anspruch nicht bestätigt wird. Es besteht aufgrund neuerer Studien jedoch die begründete Aussicht, dass bald eine gesicherte Datenlage hinsichtlich der Wirksamkeit vorhanden ist.

Zurück

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Dann teilen Sie ihn doch mit anderen: