Ist die Auswechslung eines Pflichtverteidigers möglich?

Strafrecht

Gesetzlich ist eine Entpflichtung nicht vorgesehen. Nach der gängigen Rechtsprechung (vgl. BGH NStZ-RR 05, 240) kann eine Auswechslung nur dann erfolgen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es am Vertrauensverhältnis zu dem bestellten Pflichtverteidiger fehlt. Eine Auswechslung ist weiterhin dann zulässig, wenn beide Verteidiger damit einverstanden sind und dadurch keine Mehrkosten entstehen. Nach der Reform des Untersuchungshaftrechts durch das „Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts“ vom 01.01.2010, ist die Pflichtverteidigerbestellung nach Anhörung des Beschuldigten im Rahmen der Vorführung vor dem Haftrichter und damit gleichzeitig mit der Anordnung der U-Haft anzuordnen. Kritisch wird aber die Situation dann, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger seiner Wahl nicht benannt hat. Es stellt sich sodann die Frage, ob ihm im Vorführungstermin sofort ein Pflichtverteidiger bestellt werden muss? Das Landgericht Krefeld sah hierbei als problematisch an, dass der Beschuldigte an eine Verteidigerbestellung, auf die er sich infolge der Kürze der Zeit zwischen Verhaftung und Vorführung nicht hinreichend vorbereiten konnte, dauerhaft gebunden bleibt. Dies entspricht aber nicht dem Willen des Gesetzgebers, der durch die Reform des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO (notwendige Verteidigung bereits ab Beginn der Vollstreckung der U-Haft) die Rechtsstellung des Beschuldigten – insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verteidigung – stärken wollte.

In dem dem Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Krefeld zugrunde liegenden Fall (Beschl. v. 13.07.2010 – 21 Qs 8 Js 353/10-190/10; NStZ 2010, 591 f.) ist der Beschuldigte am 29.05.2009 wegen des Verdachts der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge festgenommen und am darauffolgenden Tag dem Haftrichter vorgeführt worden. Im Rahmen der Anhörung wurde er darüber belehrt, dass ihm in Kürze ein Verteidiger beigeordnet werde, wenn er keinen Wahlverteidiger habe, auch könne er selbst einen Rechtsanwalt vorschlagen. Der Beschuldigte erklärte hierzu, er könne dazu nichts sagen, insbesondere könne er einen Rechtsanwalt hier und jetzt nicht benennen.

Daraufhin wurde Haftbefehl erlassen und dem Beschuldigten die Rechtsanwältin S. als Pflichtverteidigerin beigeordnet. Mit Schreiben vom 02.06.2010 meldete sich der Rechtsanwalt L. als Verteidiger und beantragte seine Beiordnung als Pflichtverteidiger. Dieser erklärte, dass der Beschuldigte ausschließlich von ihm vertreten werden wolle. Der Beschuldigte habe zudem nicht um die Beiordnung der Rechtsanwältin S. gebeten. Es sei ihm keine Bedenkzeit gegeben worden, um in angemessener Zeit einen Anwalt seines Vertrauens aufzusuchen und zu benennen. Das Amtsgericht Krefeld lehnte jedoch die Entpflichtung von Rechtsanwältin S. und die Beiordnung des Rechtsanwalts L. als Pflichtverteidiger ab. Zur Begründung führte es aus, dem Beschuldigten sei vor der Beiordnung rechtliches Gehör gewährt worden. Es seien zudem keine Gründe für die Annahme ersichtlich, dass ein Vertrauensverhältnis zu Rechtsanwältin S. nicht mehr bestehe. Auch die schriftliche Anregung der Rechtsanwältin S., die Pflichtverteidigerbestellung aufzuheben, lehnte das Amtsgericht ab.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte Erfolg.

Das Landgericht hat vorliegend eine erfreuliche Entscheidung getroffen. Es hat folgende These aufgestellt: Das Erfordernis einer unverzüglichen Bestellung (§ 141 Abs. 3 S. 4 StPO i. V. m. § 142 StPO) eines Pflichtverteidigers ist dahingehend auszulegen, dass dem Beschuldigten Gelegenheit gegeben werden soll, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Rechtsanwalt zu benennen. Das Gebot der „Unverzüglichkeit“ i. S. d. § 141 Abs. 3 S. 4 StPO ist damit nicht gleichbedeutend mit „zeitgleich“ mit dem Erlass des Haftbefehls, sondern bedeutet – wie auch sonst im Recht (vgl. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB) – „ohne schuldhaftes Zögern“. Die Strafverteidigervereinigungen empfehlen dabei auch im Falle des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO dem Beschuldigten eine Frist von 2 Wochen einzuräumen. Nach Auffassung des Landgerichts Krefeld spielt der für die Ablösung von Pflichtverteidigern ansonsten maßgebliche Grund einer Störung des Vertrauensverhältnisses insoweit keine Rolle. Damit stärkt die Entscheidung des Landgerichts Krefeld die Rechte der Beschuldigten.

Nachtrag vom 20.01.2011: Ein Wechsel der Pflichtverteidigung ist auch in Sachsen möglich. Hier hatte zuletzt das Amtsgericht Chemnitz mit Beschluss vom 14.01.2011 einem solchen Austausch des Pflichtverteidigers zugestimmt.

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