Die Anordnung des Fahrverbots – Wege aus dieser existenzgefährdenden Situation

Verkehrsrecht

Der Schreck ist groß: Ein Bußgeldbescheid flattert ins Haus, und neben einem hohen Bußgeld wird ein Fahrverbot angeordnet. Für denjenigen, der auf den Führerschein zwingend angewiesen ist, steht diese Maßnahme einer existenzgefährdenden Situation gleich. Denn ob es der LKW-/Kurierfahrer ist, der Aufträge ausliefern, der Geschäftsführer, der Aufträge hereinholen muss oder der Taxifahrer, der ausschließlich mit dem PKW seine Kunden befördern kann – die Folgen eines Fahrverbots sind allumfassend und gravierend.

Ein Fahrverbot kann im Bußgeldverfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 25 Abs. 1 StVG (Straßenverkehrsgesetz) aufgrund einer groben oder beharrlichen Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers angeordnet werden, wobei es am häufigsten um Geschwindigkeits-/, Abstands-/, Überhol-/ und Rotlichtverstöße geht (§ 4 Abs. 1 BKatV, Bußgeldkatalog).

Die handelnden Behörden haben bei der Entscheidung über die Anordnung eines Fahrverbots stets den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren: Das Fahrverbot nebst den damit zusammenhängenden Folgen müssen für den Betroffenen insbesondere angemessen sein. Ob dies der Fall ist, wird einer Einzelfallprüfung vorbehalten sein – eine pauschale Antwort ist hierauf nicht möglich.

Die Grenze zur Unverhältnismäßigkeit ist nach dem BVerfG (Bundesverfassungsgericht – NJW 1995, 1541) jedenfalls dann überschritten, wenn aufgrund des verhängten Fahrverbots die ernstliche Gefahr für den Fortbestand der wirtschaftlichen Existenz selbst dann besteht, obwohl der Betroffene alle ihm zumutbaren Folgen ergriffen hat, um die Folgen eines Fahrverbotes gering zu halten.

Wie eine aktuelle Entscheidung des OLG (Oberlandesgerichts) Bamberg (Az.: 2 Ss OWi 111/18) zeigt, muss sich das erstinstanzliche Gericht mit der Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz des Betroffenen jedoch erst dann auseinandersetzen, wenn dieser verifizierbare Tatsachen vorträgt, die eine solche Gefährdung „greifbar“ machen. Das heißt: Pauschale Behauptungen genügen nicht. Vielmehr muss gegenüber dem Gericht dargetan werden, weshalb das Fahrverbot eine besondere Härte bedeutet.

Das OLG Bamberg hat in einem früheren Beschluss (Az.: 2 Ss OWi 339/13) beschrieben, welche Umstände diese Entscheidung beeinflussen können. In dem zu entscheidenden Fall war die bloße Behauptung eines Berufskraftfahrers, auf seinen Führerschein angewiesen zu sein, nicht ausreichend, da er gleichzeitig nicht wusste, wie sein Arbeitgeber auf ein Fahrverbot reagiere. Auch wenn die Situation sichtlich für alle Seiten unangenehm sein dürfte: In einem solchen Fall sollte der Arbeitgeber als Zeuge benannt werden. Daneben sind dem Gericht vorher ausgelotete etwaige Überbrückungsmöglichkeiten, bspw. durch unbezahlten Urlaub, oder die Änderung innerbetrieblicher Arbeitsabläufe vorzutragen.

Neben dem Absehen vom Fahrverbot aus beruflichen Gründen sind auch andere Wege denkbar, die ungeliebte Nebenfolge Fahrverbot anzugreifen: So kann sich ein Verkehrsverstoß infolge eines Augenblickversagens ergeben oder aber nachvollziehbar und gerechtfertigt sein (man denke etwa an eine Geschwindigkeitsüberschreitung, um einer akut erkrankten Person erste Hilfe zu leisten). Auch ein langer Zeitraum zwischen dem Vorfall und der Verurteilung kann zu einem Absehen vom Fahrverbot führen (in der Regel ab 2 Jahren). Auch hier müssen die Gerichte den konkreten Einzelfall würdigen.

In diesem Zusammenhang liest man auch von der Möglichkeit, ein drohendes Fahrverbot durch Erhöhung der Geldbuße abzuwenden, quasi „wegzukaufen“. Zunächst die gute Nachricht: Ja, die Möglichkeit besteht; nun die Schlechte: Nur unter eingeschränkten Voraussetzungen. Nach § 4 Abs. 4 BKatV soll das für den betreffenden Tatbestand als Regelsatz vorgesehene Bußgeld angemessen erhöht werden, wenn von der Anordnung eines Fahrverbotes ausnahmsweise abgesehen wird. Auch eine solche Entscheidung steht im Ermessen des Gerichts und ist unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu treffen. Das Gericht wird dabei berücksichtigen, ob die Erhöhung der Geldbuße dieselbe Erziehungswirkung für den Betroffenen hat, wie ein Fahrverbot. Gute Chancen hat man hier sowohl als „Ersttäter“, wie auch als „Durchschnittsverdiener“ – hier wird das Gericht davon ausgehen können, dass das erhöhte Bußgeld abschreckende Wirkung erzielen wird. Sollte man mit einer solchen Lösung durchdringen, wird das Bußgeld in der Regel verdoppelt.

Fazit:  Nicht jedes behördlich angeordnete Fahrverbot sollte stillschweigend hingenommen werden. Entscheidend wird sein, solche Tatsachen substantiiert vorzutragen, die das Fahrverbot unter dem Blickwinkel des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als unangemessen erscheinen lassen. Da das Gericht jeden Fall individuell beurteilt, ist die Verteidigung gegen ein Fahrverbot somit stets auch vom Vortrag des Betroffenen abhängig.

[Detailinformationen: RA Clemens Biastoch, Tätigkeitsschwerpunkt Verkehrsrecht, Tel. (0351) 80 71 8-70, biastoch@dresdner-fachanwaelte.de]

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