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Ermittlungsverfahren wegen Unfallflucht, obwohl man nicht Unfallverursacher ist?
Um das im Mandantengespräch zu verdeutlichen, beschreibe ich gern einen (überzeichneten) Fall: Ein stark alkoholisierter Fahrer schießt ohne Sicht aus einer Grundstücksausfahrt – es kommt zum Unfall. Der andere Beteiligte befindet sich vorschriftsmäßig auf der Vorfahrtstraße, entfernt sich aber vom Unfallort, weil er keine Chance mehr sieht, den Unfallgegner zu erreichen. Obwohl er den Unfall nicht verursacht hat, droht eine Strafverfolgung wegen Unfallflucht. Und: Solche Fälle sind gar nicht so weit hergeholt, wie zwei aktuelle Beispiele zeigen.
Fall 1: Der Bus fährt weiter – der Mandant auch
Der Mandant stand an einer roten Ampel in der Linksabbiegerspur, als ein Gelenkbus beim Abbiegen mit dem Heck gegen seinen Wagen stieß. Der Schaden war deutlich spürbar und sichtbar. Der Busfahrer aber bemerkte nichts, fuhr weiter – und ein aufmerksamer Passant informierte ihn erst an der nächsten Haltestelle. Als Bus und Zeuge zur Unfallstelle zurückkehrten, war der beschädigte Pkw samt Fahrer verschwunden.
Später stellte sich heraus: Der Mandant war verunsichert und überfordert, hatte den Bus für uneinholbar gehalten und fuhr nach Hause. Dort wurde er später von der Polizei aufgesucht. Es folgte ein Strafverfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort.
Auch wenn das Verfahren nach anwaltlicher Unterstützung eingestellt wurde, geschah dies nur wegen „geringen Verschuldens“. Ein vollständiger Freispruch war das nicht – zivilrechtliche Komplikationen sind dadurch weiterhin möglich.
Fall 2: Gesundheitliche Beeinträchtigung nach Auffahrunfall
Ein anderer Mandant wurde bei stockendem Verkehr von einem LKW heftig von hinten gerammt. Er erlitt ein Schleudertrauma und war so benommen, dass er sich später an den Unfall nicht mehr erinnern konnte. Ohne auszusteigen oder Hilfe zu rufen, fuhr er die wenigen hundert Meter nach Hause. Dort wurde er von einem Nachbarn bemerkt, der den Rettungsdienst rief. Polizei und Sanitäter trafen gleichzeitig ein.
Auch hier leitete die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Unfallflucht ein. Doch in diesem Fall konnte überzeugend dargelegt werden, dass der Mandant aufgrund seiner Verletzungen nicht in der Lage war, die Situation richtig einzuschätzen oder zu handeln. Das Verfahren wurde schließlich eingestellt – in diesem Fall nach einer Vorschrift, die rechtlich einem Freispruch gleichkommt.
Unser Rat:
Wer sich nach einem Unfall unsicher ist, wie er sich verhalten soll, sollte besser vorher die Polizei verständigen. Schon ein Anruf kann helfen, Missverständnisse und Strafverfahren zu vermeiden.