Erbrecht
Erbengemeinschaften sind Streitgemeinschaften
Dabei handelt es sich oftmals um Konflikte – etwa zwischen Geschwistern –, die erfahrungsgemäß erst nach Ableben der Eltern auch mit Vehemenz ausgetragen werden, denn zu Lebzeiten hat die Existenz und Anwesenheit der Eltern noch dazu beigetragen, dass der familiäre Zusammenhalt im Vordergrund stand. So haben Eltern „Lieblingskinder“, was den anderen Kindern nicht verborgen geblieben ist und die sich seit jeher zurückgesetzt fühlten. Umso entschiedener verfolgen erfahrungsgemäß diese tatsächlich oder vermeintlich benachteiligten Kinder ihre Rechte gegenüber ihren Geschwistern insbesondere im Rahmen einer Erbengemeinschaft.
Dies führt leider dazu, dass nicht selten die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft bei fehlendem Einvernehmen zum Nachteil sämtlicher Miterben zumindest zeitweise nicht gelingen kann. Vielfach sind streitige Aspekte auch durch eine gerichtliche Entscheidung nicht zu klären, obwohl die Erbengemeinschaft eben auch nach dem Willen des Gesetzgebers kein Dauerzustand ist, sondern ein reines Durchgangsstadium.
So kommt es vor, dass kluge Mandanten letztlich bereit sind, eigene Interessen zurückzustellen, um eine Einigung unter den Miterben herzustellen und für sich persönlich damit auch eine friedvollere Situation. Damit sei aber nicht gesagt, dass es im Einzelfall auch mehr als verständlich sein kann, dass Miterben eben nicht zu einem derartigen übermäßigen Nachgeben bereit sind und es im Zweifel vorziehen, eine Konfliktsituation mit Familienangehörigen dauerhaft hinzunehmen und zu erdulden. „Zum Streiten gehören immer zwei, schweigt einer, ist der Zank vorbei“ oder „Beim Streiten geht die Wahrheit oftmals verloren.“ Auch das weitere Sprichwort „Antworte nie auf ein böses Wort mit einem bösen Wort. Es ist das zweite, das den Streit auslöst.“ kommt in den Sinn.
Ohne die Gedankenwelt des anwaltlichen Vertreters eines Miterben hier in den Vordergrund stellen zu wollen, mag aber Erwähnung finden, dass es die Kunst eines anwaltlichen Beraters sein kann, der seinem Mandanten aus voller Überzeugung gegen dessen innere Widerstände auch davon überzeugt, über seinen „Schatten zu springen“ und hinsichtlich bestimmter Konfliktfragen nachzugeben. Dieser anwaltliche Berater macht sich bei seiner Mandantschaft damit vielleicht kurzfristig nicht beliebt, eine kluge Mandantschaft wird jedoch zumindest etwas später erkennen, dass sie gut beraten wurde. Umgekehrt würde sie etwas später merken, dass sie nicht gut beraten war, bestehende Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten im Rahmen einer Erbengemeinschaft dauerhaft streitig anzugehen.
Damit der Autor dieses Beitrages nicht falsch verstanden wird: Selbstverständlich ist es vorrangige Aufgabe des anwaltlichen Vertreters, den Mandanten darüber aufzuklären, welche Rechte er mit Erfolgsaussicht auch gegenüber anderen Mitgliedern der Erbengemeinschaft wie durchsetzen kann und dieses ggf. auch in die Tat umsetzt. Dies ist aber eben nur eine Facette einer sachgerechten anwaltlichen Vertretung.
In diesem Sinne lautet meine Empfehlung gegenüber einem Miterben, zunächst zu prüfen bzw. prüfen zu lassen, welche Rechte gegenüber Miterben im Falle fehlender Einvernehmlichkeit gegebenenfalls auch gerichtlich durchsetzbar sind und anschließend emotionsfrei zu überlegen, ob es letztlich wirklich im Sinne des Mandanten ist, diese Rechte auch streitig durchzusetzen. Dabei sollte immer Beachtung finden, ob die Mandantschaft möglicherweise in anderen Einzelfragen auf eine Mitwirkung anderer Miterben angewiesen ist oder voraussichtlich angewiesen sein wird.
Ergänzend empfehlen möchten wir Ihnen dazu auch unseren Beitrag "Welche Rechte hat der Miterbe in der Erbengemeinschaft?"
Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Dann teilen Sie ihn doch mit anderen: