Wie in unserem Newsletter 4 vom 07.04.2011 berichtet, hatte das Bundessozialgericht (BSG) unsere Revisionsverfahren gegen die Abschaffung der Berücksichtigung von Ausbildungszeiten als Anrechnungszeiten in der Rentenversicherung zugelassen.
Das BSG hat nunmehr am 19.04.2011 – erst am 28.07.2011 erfolgte die Zustellung – die Revisionen leider zurückgewiesen. Das Gericht folgt unserer Argumentation zur Verfassungswidrigkeit der Norm des § 74 Satz 4 i. V. m. § 263 Abs. 3 SGB VI nicht. Die Verletzung des Eigentumsrechtes wird insoweit für zulässig erachtet. Das Gericht verweist hier auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, innerhalb dem ein sozialer Ausgleich für die mit der Ausbildung für den einzelnen verbundene Minderung seiner sozialen Sicherheit vorgenommen werden kann.
Um die Beitragsstabilität zu erhalten, soll die gesetzliche Neuregelung geeignet gewesen sein. Die Einsparungen aus dem Wegfall der bewerteten Anrechnungszeiten betragen ca. 2 Mio. €/Jahr. Aus Sicht des Gerichtes ist diese Maßnahme auch erforderlich, da ein weniger einschneidendes Mittel nicht erkennbar sei.
Das Gericht nimmt dann noch eine Abwägung zwischen den Leistungen an die Versicherten und den Belastungen der Solidargemeinschaft vor. Insoweit verneint das Gericht einen personalen Bezug der Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung. Die Zeiten seien keine Eigenleistung des Versicherten, sondern die Zeiten dienten der eigenen Qualifizierung des jeweiligen Versicherten.
Das Gericht wendet sich auch gegen anderslautende Urteile und Meinungen in der Literatur, dass schulische Ausbildungszeiten einem höheren verfassungsrechtlichen Schutz unterliegen.
Auch eine Verletzung des Vertrauensschutzes erkennt das Gericht nicht an. Das Gericht nimmt dann hier eine individuelle Berechnung der unterschiedlichen Rentenleistungen vor. Bereits im Hinblick auf die mehrfahren Änderungen zu den Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung sei zweifelhaft, ob hier überhaupt ein schutzwürdiges Vertrauen bestehen könne. Auch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) wird durch das Gericht nicht gesehen. Das Gericht billigt also die Differenzierung zwischen der Gruppe der Schul- und Hochschulabsolventen und der Gruppe der Fachschulabsolventen bzw. der Teilnehmer an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme. Für die zuletzt genannte Gruppe bleibt es bei der bisherigen Berücksichtigung der Anrechnungszeiten.
Für diese Ungleichbehandlung soll jedoch eine tragfähige Grundlage vorhanden sein. Zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu der Höhe der Hartz-IV-Regelsätze vom 09.02.2010 meint das Gericht, dass diese Entscheidung hier nicht anwendbar sei, sondern nur für die Bemessung des menschenwürdigen Existenzminimums. Die vorgelegten Studien der Rentenversicherung reichen dem Gericht aus, um hier im Regelfall bessere Verdienstmöglichkeiten für Hochschulabsolventen anzunehmen.
Das Gericht setzt sich nach meiner Einschätzung jedoch nicht mit der Gruppe der Schüler auseinander sowie unserem Vortrag, dass Hochschulabsolventen wesentlich später in das Berufsleben eintreten und insoweit auch Verluste in der Rentenberechnung hinnehmen müssen.