Am 20.07.2010 veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht einen Beschluss vom 05.07.2010 (Az.: 2 BvR 759/10), mit welchem die Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes (OLG) Brandenburg nicht angenommen wurde. In dem Verfahren des OLG ging es um eine Geschwindigkeitsmessung mit dem Einseitensensor ES 3.0, der gekoppelt mit einer digitalen Kamera Frontfotos von den gemessenen Fahrzeugen fertigt. Der Beschwerdeführer hatte gerügt, dass es für den damit verbundenen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage gebe. Das OLG Brandenburg hatte eine solche in § 100 h StPO (Strafprozessordnung) gesehen und seine Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen.
Ob die Vorschrift aus der StPO als geeignete Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden kann oder nicht, ist seit einer ersten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Thema (Beschluss vom 11.08.2009, Az.: 2 BvR 941/08) in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Eine starke Meinung in der Literatur hat jedenfalls die Anwendbarkeit der Vorschrift abgelehnt. Wenige Oberlandesgerichte waren dieser Auffassung gefolgt. Die meisten OLGs haben sich der Meinung des OLG Bamberg angeschlossen, das bereits im November die Anwendbarkeit des § 100 h StPO bejaht hatte. Das Bundesverfassungsgericht formuliert jetzt:
Die Heranziehung dieser Rechtsgrundlage begegnet vielmehr keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es handelt sich um eine Frage der Anwendung und Auslegung einfachen Rechts, die vom Bundesverfassungsgericht nicht zu überprüfen ist. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot, der voraussetzen würde, dass diese Rechtsauffassung unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar wäre (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. August 2009 – 2 BvR 941/08 –, NJW 2009, S. 3293 f.), ist nicht ersichtlich.
Die Entscheidung hat Bedeutung für alle Messverfahren, bei denen Fotos gefertigt werden. Dort dürfte jetzt die Auseinandersetzung mit der Frage, ob wegen des Grundrechtseingriffs ein Beweiserhebungsverbot bestanden hatte, erledigt sein. Offen sind allerdings noch die Fälle, in denen Ordnungswidrigkeiten mit Hilfe von Videoaufzeichnungen festgestellt worden sind. Das sind beispielsweise Abstandsmessungen mit Video, Nachfahrten auf der Autobahn, Rotlichtüberwachungen mit Handkameras oder auch Geschwindigkeitsmessungen mit dem System Leivtec. § 100 h StPO verlangt einen bestehenden Anfangsverdacht. Erfahrungsgemäß werden viele Videoaufzeichnungen aber bereits gestartet, wenn noch nicht erkennbar ist, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen wird. Amtsgerichte sind dann bei der Frage der Verwertbarkeit solcher Aufzeichnungen häufig sehr großzügig. Es ist daher damit zu rechnen, dass sich das Bundesverfassungsgericht noch ein weiteres Mal mit diesem Thema beschäftigen muss.